Benjamin Netanyahu (74) erntet die Früchte seiner politischen Saat. Und die Ernte sieht ganz und gar nicht gut aus für den israelischen Premier. Gesundheitlich geht’s dem radikalen Politiker seit seiner Entlassung aus dem Spital am Wochenende zwar wieder besser (er musste sich wegen einem Bauchleiden operieren lassen). Alles andere aber fliegt «Bibi» grad so richtig um die Ohren.
Fünf Entwicklungen deuten darauf hin, dass Netanyahus Tage an Israels Machthebeln gezählt sind.
Das World-Central-Kitchen-Drama
Die israelischen Streitkräfte haben am Montag sieben internationale Mitarbeitende der Hilfsorganisation World Central Kitchen in Gaza bei einem Raketenangriff getötet. Unter den Todesopfern waren unter anderem Staatsangehörige aus Australien, den USA, Grossbritannien und Polen.
Der Angriff auf die klar als Hilfskonvoi gekennzeichnete Fahrzeugkolonne hat scharfe Kritik am Gebaren der israelischen Truppen im palästinensischen Küstengebiet ausgelöst. Netanyahus Kommentar, dass «sowas im Krieg passieren könne», machte die Sache keineswegs besser.
Er muss sich anhören, den Krieg mit inzwischen fast 33'000 Toten (darunter laut palästinensischen Angaben mehr als 14'000 getötete Kinder) aus rein egoistischen Gründen weiterzuführen, um von seinen eigenen juristischen Problemen abzulenken. Die wachsenden Proteste im eigenen Land werden für ihn zum Problem.
Die iranische Drohung
Bei einem Anschlag auf das iranische Konsulat in der syrischen Stadt Damaskus sind elf Menschen, darunter drei hochrangige iranische Generäle, getötet worden. Israel hat sich – wie üblich – nicht zum Angriff bekannt. Amerikanische Quellen aber bestätigen, dass Netanyahus Regierung hinter dem Angriff stand. Die USA hat sich offiziell beim Iran gemeldet und mitgeteilt, man habe «nichts von den Plänen gewusst».
Der Iran wiederum schwört Rache für den Angriff. «Die Zionisten sollen wissen, dass dieses Verbrechen nicht ungesühnt bleiben wird», liess Präsident Ebrahim Raisi (63) Netanyahu wissen. Die vom Iran unterstützten Hisbollah-Rebellen haben Vergeltung angekündigt. Eine neue Kriegsfront für Israel wird immer realistischer.
Das ultraorthodoxe Dilemma
Ohne die Unterstützung der beiden ultraorthodoxen Parteien «Shas» und «Vereinigtes Thora-Judentum» kann Netanyahu nicht regieren. Die beiden Splitterorganisationen kommen auf 18 Sitze im Parlament. Wenden sie sich von Netanyahu ab, verliert er seine 72-Sitze-Mehrheit im 120-Sitz-Parlament und muss Neuwahlen durchführen lassen.
Genau das droht ihm jetzt, weil er es nicht geschafft hat, die Ultraorthodoxen weiter vor dem obligatorischen Militärdienst abzuschirmen. Bislang galten in Israel Sonderregelungen für alle Ultraorthodoxen. Seit dem 1. April aber gilt die allgemeine Wehrpflicht (32 Monate für Männer, 24 Monate für Frauen) in Israel auch für sie.
Das erzürnt die «Haredim», wie sich die Ultraorthodoxen nennen, massiv. 63'000 junge Männer sind direkt von der neuen Regelung betroffen. Ihr Protest wächst täglich. Und damit das Risiko für Neuwahlen.
Das Geisel-Problem
180 Tage nach Kriegsausbruch sind noch immer rund 100 israelische Geiseln in den Händen der Hamas-Terroristen. Angehörige der Entführten machen ihrem Frust seit Sonntag bei riesigen Aufmärschen vor dem Parlament in Jerusalem Luft. Sie werfen Netanyahu vor, aus politischem Kalkül zu wenig für den Verhandlungsdurchbruch mit den Geiselnehmern zu tun.
Sprachrohr der Verhandlungs-Kritiker ist der Oppositionspolitiker und Ex-Premier Jair Lapid (60). Er sagte am Montag: «Netanyahu geht’s nur noch um das Amt und den Titel. Dafür lässt er das ganze Land brennen.»
Schafft es Netanyahu nicht, bald einen Durchbruch in den Verhandlungen zu erzielen, könnte ihm der wachsende Verdruss der Geisel-Angehörigen politisch schwer schaden.
Die störrischen Nachbarn
Netanyahus Regierung hat eben ein Gesetz verabschiedet, das es Israels Führungsriege erlaubt, ausländische Medien für 45 Tage sperren zu lassen, wenn sie ein «nationales Sicherheitsrisiko» darstellen. Das Gesetz ist einzig und allein dazu da, um dem von Katar finanzierten Medienriesen Al-Dschasira den Garaus zu machen.
Netanyahus Minister erachten den Sender und seine Online-Plattformen als «Hamas-Sprachrohr» und halten seine Kritik am israelischen Kriegskurs offenbar nicht länger aus. Das geplante Verbot hat nicht nur bei den arabischen Nachbarn für Augenreiben gesorgt, sondern selbst im Weissen Haus Kritik ausgelöst. Der zunehmend autoritäre Stil von Netanyahus Truppe wird in Washington nicht goutiert.