Der russische Fernsehmoderator und Kreml-Hardliner Wladimir Solowjow (58) ist Dauergast im russischen Staats-TV. Er hat seine eigene Polit-Talkshow: «Der Sonntagabend», eine der beliebtesten Talkshows in Russland.
Solowjow, der auf der Sanktionsliste der EU steht, spricht in seiner Show vom wahren Krieg Russlands nicht gegen Kiew und die Ukraine, sondern gegen die Nato. Und diese werde den grossen Krieg provozieren.
Schon kleinere Zwischenfälle haben in der Weltgeschichte grössere Konsequenzen provoziert. Ein Attentat in Sarajevo löste den Ersten Weltkrieg aus. Der sogenannte «Tonkin-Zwischenfall» vor der Küste Nordvietnams ebnete den Weg für die Amerikaner, ins Indochina-Kriegsgeschehen einzuschreiten. Bis heute ist unklar, ob der Zwischenfall fingiert war oder nicht.
Situation werde schnell eskalieren
Die Russen wissen offenbar bereits genau, wer den Dritten Weltkrieg auslöst. Solowjow widmet seine im grössten russischen Fernsehsender «Rossija 1» ausgestrahlte Talkshow genau dieser Propaganda. Immer wieder spricht er vom Weltuntergang, den Nato provoziert habe. «Ein paar Mutanten werden irgendwo beim Baikalsee zurückbleiben», sagt Solowjow in die Runde. «Alles andere wird durch einen gewaltigen Atomschlag vernichtet. Alles steuert darauf zu.»
«Wenn Menschen nicht sterben würden, wäre dies die lustigste Komödie», lacht der Moderator. «Wir steigen hinab in die blutigen Seiten der Weltgeschichte. Die Ukraine wird am Ende amerikanische Waffen auf ein Atomkraftwerk abfeuern. Die Situation wird schnell unkontrollierbar. Peng! Und es gibt nichts mehr.» Die Umstehenden nicken still.
«Unsere letzte und entscheidende Schlacht»
Talkshow-Gast Vitali Tratjakow (69), Politologe und Chefredaktor der Moskauer Zeitung «Nesawissimaja Gaseta», wählt grosse Worte: «Die jungen Leute mögen diese Definition von Glück nicht teilen», sagt Tratjakow. «Wir sind endlich angekommen, dies ist unsere letzte und entscheidende Schlacht.»
«Ich sehe keinen Grund zur Freude», pflichtet auch Margarita Simonjan bei, Chefredakteurin der russischen Nachrichtenagentur «Rossija Sewodnja» – die ebenfalls auf der EU-Sanktionsliste steht. «Aber ich sehe auch keine andere Wahl», so die 42-jährige zentrale Figur der russischen Propaganda. «Wir werden gezwungen sein, auf die Atomwaffen der Nato zu reagieren. Sie provozieren uns wieder.»
«Die Menschen machen sich Sorgen»
Einer widerspricht. Dem sonst als weiterem Kreml-Propagandisten bekannten Politikwissenschaftler Sergei Michejew (55) werden die Drohungen zu bunt. Vor laufender Kamera platzt Michejew der Kragen, als die Expertenrunde wieder und wieder apokalyptische Feuerreden zum Besten gibt.
In den vergangenen Wochen flösste auch Michejew mit militärischen Szenarien Angst ein. Jetzt mahnt er: «Bleibt ruhig, Kameraden. Als nächstes kommt der Dritte Weltkrieg. Der Atomkrieg wird kommen... Ist das ein normaler Ansatz?», fragt Michejew in die Runde. «Ist das die Art, mit der öffentlichen Meinung umzugehen? Die Menschen machen sich Sorgen!» (kes)