Taliban verkünden: «Der Krieg ist vorbei»
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Korrupt und ohne Taktik
Warum die afghanische Armee so schnell auseinanderbrach

Innert Tagen eroberten die radikalislamischen Taliban ganz Afghanistan. Die Armee leistete kaum Widerstand. Weshalb?
Publiziert: 16.08.2021 um 10:27 Uhr
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Aktualisiert: 16.08.2021 um 13:58 Uhr
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Die afghanische Armee brach in den vergangenen Tagen komplett auseinander.
Foto: DUKAS

Kurz vor Mitternacht übernehmen die Taliban die Macht in Afghanistan endgültig. Gegenüber den Medien rufen sich die Radikalislamisten am Sonntag zu den neuen Machthabern aus, stürmen Regierungssitze und Ministerien in der Hauptstadt Kabul.

Eine Verteidigung der Hauptstadt durch die Soldaten der Regierung blieb aus. Kampflos zogen die Soldaten ab, überliessen den Taliban ihre Waffen, Munition und Fahrzeuge. Bereits in den Tagen zuvor stiessen die Taliban bei ihrem Vormarsch auf keinen Widerstand.

Der Westen, der in den Jahrzehnten zuvor die afghanische Regierung beim Aufbau einer Armee unterstützte, musste tatenlos zusehen, wie die Soldaten das Feld räumten. Die Einheiten seien «innert Tagen auseinandergefallen», erzählt ein deutscher Ausbilder dem «Spiegel».

Korruption und Vetternwirtschaft weit verbreitet

Dafür gibt es verschiedene Gründe. Viele Soldaten hätten Angst gehabt, dass sie und ihre Familien von den Taliban gefangen genommen und umgebracht werden, erzählt der deutsche Ausbilder. Die USA wiederum sprechen von fehlendem Kampfeswillen. «Geld kann keinen Willen kaufen», sagte ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums am Freitag.

Zudem sind auch innerhalb der Armee Korruption und Vetternwirtschaft weit verbreitet. Hohe Posten wurden an Freunde und Verwandte weitergegeben, Posten der mittleren Ränge an den Höchstbietenden verkauft. Waffen und Munition wurden nicht in der Armee eingesetzt, sondern auf dem Schwarzmarkt verkauft. Der nationale Sicherheitsberater der afghanischen Armee verfügte gemäss dem «Wall Street Journal» über keine militärische Ausbildung.

Ohne Strategie und Nachschub

Die Inkompetenzen der Führungskräfte führten auch innerhalb der Armee zu Chaos: So ist etwa völlig unklar, wie gross die afghanische Armee wirklich ist. Gemäss «Spiegel»-Bericht dürfte es viele der rund 300'000 eingetragenen Soldaten gar nicht geben. Die «Geistersoldaten» werden zwar auf dem Papier als Angehörige der Armee aufgeführt und auch bezahlt, existieren aber in Wirklichkeit gar nicht.

Weil die Truppen zudem ohne Strategie und Versorgung über das Land verteilt wurden, fehlte es den Soldaten an Nachschub, sowohl bei Munition als auch bei Nahrungsmitteln. «Wir erhielten nur ein paar Kartoffeln pro Tag», erzählt ein Truppenführer dem «Spiegel». Die Moral der Soldaten sank immer weiter – und die Taliban hatten leichtes Spiel.

Taliban arbeiteten jahrelang an Rückkehr

Der überstürzte Abzug der westlichen Mächte führte zudem innerhalb der Armee zu Chaos: Plötzlich mangelte es etwa an Technikern, welche die Kampfhelikopter reparierten. Die Luftwaffe war nicht mehr funktionsfähig. Am Sonntagmorgen bombardierte die US-Luftwaffe gemäss Berichten einen Militärflughafen in der Grossstadt Masar-i-Scharif. Die Amerikaner wollten verhindern, dass die Kampfhelikopter und Kampfflugzeuge in die Hände der Taliban gelangen.

Die Taliban selbst arbeiteten jahrelang an ihrer Rückkehr, unterwanderten die Armee und die Dörfer und Städte ausserhalb Kabuls. Ihr Einfluss reichte bis weit in die Führung der Provinzen hinein. Nun konnten sie innert Tagen zuschlagen und das gesamte Land erobern. Mit welchen Konsequenzen für die Bevölkerung, ist noch nicht klar. (zis)

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