Kontroverse um kriegerische Macron-Äusserungen
Franzosen spielen im Kopf Kriegseinsatz in der Ukraine durch

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron brüskierte unlängst Verbündete, indem er laut über die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine nachdachte. Die führende französische Zeitung «Le Figaro» zerpflückt jetzt Macrons mögliche Szenarien.
Publiziert: 25.03.2024 um 05:05 Uhr
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Aktualisiert: 25.03.2024 um 11:05 Uhr
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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron versucht den starken Mann Europas zu geben, der sich dem russischen Kriegspräsidenten Wladimir Putin entgegenstellt.
Foto: Présidence de la République
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Daniel KestenholzRedaktor Nachtdienst

«Unsere Pflicht ist es, uns auf jedes Szenario vorzubereiten. Nichts sollte ausgeschlossen werden» – mit dieser martialischen Rhetorik sorgte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (46) Ende Februar für Stirnrunzeln bis Zorn unter Verbündeten.

Macron diskutierte offen die Entsendung von «Bodentruppen» in die Ukraine, was die französische Zeitung «Le Figaro» vergangene Woche dazu veranlasste, mögliche Szenarien für eine Beteiligung Frankreichs am Konflikt zu untersuchen. Insgesamt fünf Szenarien werden vorgelegt – und «es stellen sich drei Fragen», so «Le Figaro»: «Was wird der Präsident sagen, wenn die Särge in Frankreich ankommen? Wird Frankreich bereit sein, auf den Tod seiner Soldaten zu reagieren? Werden die USA zulassen, dass die Franzosen allein in die Schlacht ziehen?»

«Le Figaro» betont, dass Macrons Aussagen bei Verbündeten «Ärger» hervorgerufen hätten. «Es werden keine europäischen oder Nato-Soldaten entsandt», hatte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (65) geantwortet. Italiens stellvertretender Ministerpräsident Matteo Salvini (51) warf Macron vor, mit seinen «gefährlichen, überzogenen und unausgewogenen» Äusserungen eine Gefahr für Italien und Europa darzustellen.

Heisse Luft?

«Es ist klar, dass die Ukraine leidet», so die Analyse. «Amerikanische Hilfe ist längst überfällig, und die Munition geht langsam zur Neige. ‹Das Überleben der Ukraine ist in Gefahr›», wird US-Aussenminister Lloyd Austin (70) zitiert.

Wie die Analyse der Journalisten herausschält, sind Macrons Worte wohl eher heisse Luft. Wenn Paris tatsächlich Truppen entsenden würde, müsste der Präsident das Parlament «spätestens drei Tage nach Beginn der Intervention» benachrichtigen, heisst es. Wenn die Operation länger als vier Monate dauert, müssen die Abgeordneten laut Verfassung über ihre Verlängerung abstimmen. Meinungsumfragen zufolge seien drei Viertel der Bevölkerung gegen eine Entsendung von Truppen.

Fünf Szenarien

Dann werden die fünf möglichen Szenarien aufgelistet – und alle als unrealistisch verworfen.

Szenario 1: Frankreich baut Waffenfabriken in der Ukraine. Doch die, so die Analyse, würden von den Russen gleich zerbombt.

Szenario 2: Frankreich bildet Truppen in der Ukraine aus. Dies, so «Le Figaro», führe wahrscheinlich zum Tod von Franzosen und sei innenpolitisch kaum zu rechtfertigen.

Szenario 3: Frankreich konzentriert sich auf die Verteidigung von Odessa. Dies, um einen starken Anstieg von Getreidepreisen und eine Ausweitung des Konflikts auf Moldawien zu verhindern. «Le Figaro»: Dies würde zu einer direkten Konfrontation zwischen der französischen und der russischen Armee führen.

Szenario 4: Französische Truppen richten Pufferschutzzonen ein. Auch dies, wird gefolgert, würde Frankreich zur Konfliktpartei machen.

Szenario 5: Französische Kampfeinheiten schliessen sich ukrainischen an – «Konfrontation in den Schützengräben», so «Le Figaro».

Die Zeitung nennt dieses letzte Szenario, in dem französische Truppen gegen die russische Armee kämpfen, das unwahrscheinlichste. «Das ist gleichbedeutend mit einer Kriegserklärung an Russland», wird ein Experte aus Armeekreisen zitiert.

Logistische Herausforderung ohnegleichen

Dazu sagt der französische Militärexperte General François Chauvancy: Paris könnte in 30 Tagen nur 20'000 Soldaten stationieren. Das sei ein Tropfen auf den heissen Stein, verglichen mit den russischen und ukrainischen Kontingenten. Ausserdem würde das für Paris eine riesige logistische Herausforderung darstellen. Ganz abgesehen davon, dass Frankreich einen solch umfassenden Truppeneinsatz nicht mit genügend Munition und Ausrüstung versorgen könnte.

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