Die Bombe platzte am Sonntag. «Für dieses Gesetz kann ich nicht stimmen», sagte Joe Manchin (74). «Ich habe alles Menschenmögliche versucht, ich kann das einfach nicht.» Es war das finale Nein des demokratischen Senators zum «Build Back Better Act». Und damit das Aus für Joe Bidens (79) innenpolitisches Kernvorhaben für Soziales und Klimaschutz: Ohne Manchin keine Mehrheit im Senat.
Das Weisse Haus ist mächtig sauer auf den rebellischen Demokraten. Nur 30 Minuten «Vorsprung» gab Manchin dem Präsidenten offenbar, bevor er die Überraschung zündete. Und das auch noch ausgerechnet auf Fox News. Ans Telefon ging er davor nicht mehr.
Manchin begründete seine Entscheidung mit der Finanzierbarkeit. Dabei hatte er Bidens 10-Jahre-Prestigeprojekt in wochenlangen Verhandlungen bereits von ursprünglich 3,5 auf 1,75 Billionen US-Dollar gedrückt.
Manchin verdient an fossilen Energien
Mit «Build Back Better» wollen die Demokraten eine ganze Reihe von Wahlversprechen auf einmal durch den Kongress bringen: etwa Steuererleichterungen für Familien, bezahlte Elternzeit, Ausbau der Krankenversicherungen und die Förderung nachhaltiger Energien.
Besonders gegen Letzteres hatte sich Manchin gestemmt. Sein Bundesstaat West Virginia ist der zweitwichtigste Kohle-Standort im Land, zudem ist er selbst dick im Geschäft. Laut amerikanischen Medien hält er zwischen ein und fünf Millionen Dollar an Firmenanteilen und verdient fast eine halbe Million Dollar im Jahr durch seine Beteiligung.
Es holpert in Joe Bidens erstem Amtsjahr
Bidens Pressesprecherin Jen Psaki (43) teilte mit, Manchin widerspreche mit seiner Ankündigung sowohl seinen eigenen vorherigen Aussagen als auch dem Stand der Diskussionen mit dem Präsidenten. Und er breche bereits getroffene Absprachen.
Politische Konsequenzen hat Manchin kaum zu befürchten. Erst 2025 muss er sich seiner Wiederwahl stellen.
Für Biden hingegen geht es um praktisch alles. Denn auch in fast allen anderen Bereichen läuft es gar nicht gut für den US-Präsidenten und seine Regierung.
Klimaschutz
Manchins Entscheidung gefährdet die Klimaziele der Regierung. Obwohl der Senator das Paket bereits gedrückt hatte, waren im «Build Back Better Act» noch mehr als 300 Milliarden US-Dollar an Steueranreizen für Elektrofahrzeuge, nachhaltige Energie und andere Massnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen vorgesehen.
Biden hat nun zwei Möglichkeiten: Entweder er versucht es mit kleineren Gesetzespaketen – oder er greift zu Regulierungsmassnahmen, für die er keine Kongressmehrheit braucht.
Inflation
Lebensmittel, Geschenke, Benzin: alles teurer. Die hohe Inflationsrate beschert vielen Amerikanern ein sorgenvolles Weihnachtsfest.
Im November lag die Inflationsrate im Vergleich zum Vorjahr bei 6,8 Prozent – der höchste Wert seit fast vier Jahrzehnten. Und das, obwohl die Wirtschaft brummt und sich auch der Arbeitsmarkt vom Corona-Einbruch erholt hat.
Die Teuerung ist eine Folge wirtschaftlicher Verzerrungen infolge der Corona-Krise und von Problemen globaler Lieferketten. Kritikerinnen und Kritiker machen allerdings auch die umfangreichen Konjunktur- und Investitionspakete der Biden-Regierung verantwortlich.
Corona
In Rekordgeschwindigkeit hatte die Biden-Regierung die Impfkampagne ausgerollt. Schon im April konnte sich jede und jeder impfen lassen, im September ging es offiziell mit dem Boostern los.
In jedem CVS bekommt man den Piks schnell und unkompliziert. Trotzdem sind selbst nach der verheerenden Delta-Welle nur 61 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft und 18,1 Prozent geboostert.
Und nun droht Omikron. Am Dienstag will Biden seine Pläne vorstellen. Doch sein Handlungsspielraum ist begrenzt: Mehr als eindringlich warnen kann er kaum.
Einwanderung
Kaum im Amt, musste sich Biden mit dem Dauerthema Grenze beschäftigen. Berichte über ertrunkene Minderjährige und Fotos von überfüllten Unterkünften an der Grenze zu Mexiko dominierten die Schlagzeilen.
Biden beauftragte seine Vize Kamala Harris (57) mit der Sisyphus-Aufgabe. Passiert ist seither wenig – zuletzt zwang ein texanischer Bundesrichter die Biden-Administration gar, Trumps umstrittenes «Remain in Mexico»-Programm wieder in Kraft zu setzen, mit dem Schutzsuchende bis zur Bearbeitung ihrer Asylanträge in grenznahe mexikanische Städte verfrachtet werden.
Beliebtheit
Sowohl die Zustimmungswerte des Präsidenten als auch die seiner Vizepräsidentin Kamala Harris kennen seit Monaten nur eine Richtung: nach unten. Unbeliebter war nach einem Jahr im Amt von seinen Vorgängern nur Donald Trump.
Eine erste Quittung dafür hat Biden Anfang November bereits erhalten: Die Republikaner gewannen die Gouverneurswahl im eigentlich blauen Virginia. Die Zustimmungswerte sind vor allem im Hinblick auf die Midterms 2022 wichtig, wenn die dünne demokratische Mehrheit im Kongress auf der Kippe steht.