Heute und morgen wählen zwölf Millionen Italiener in 1192 Gemeinden und Städten Bürgermeister und Stadtparlamente. Es ist die erste grosse Wahl nach der Pandemie – und der erste Stimmungstest für Ministerpräsident Mario Draghi (74).
Mit harten Corona-Massnahmen versucht seine Regierung die Italiener zur Impfung zu bewegen. Mit Erfolg, denn fast 70 Prozent der Italiener sind bereits vollständig geimpft. Dafür kriegt Draghi viel Lob – aber auch Kritik von der Opposition.
Diese verfolgt daher die Kommunalwahlen mit Argusaugen, insbesondere in Rom, Mailand, Bologna, Neapel und Turin. Denn wegen ihrer harten Corona-Politik könnten die grossen Regierungsparteien abgestraft werden. Das zumindest erhoffen sich Italiens Rechtspopulisten.
Ob Matteo Salvinis Lega, die Fratelli d'Italia von Giorgia Meloni oder die neofaschistische Bewegung Casa Pound tatsächlich von einem möglichen Corona-Verdruss profitieren, bleibt allerdings fraglich. Denn gerade ihr Wahlkampf ist mit Skandalen und peinlichen Fauxpas gespickt. Es geht um Kokain, Homo-Sex, Schwarzgeld und verbale Nazi-Entgleisungen.
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Salvinis Medienchef
Eine Woche vor Wahltermin tritt der Vertraute von Matteo Salvini (48), Luca Morisi (48), von allen seinen Lega-Posten zurück. Aus «privaten Gründen», heisst es. Der tatsächliche Grund: Die Staatsanwaltschaft von Verona ermittelt gegen den Chef der Social-Media-Maschinerie des Lega-Königs wegen Drogenhandels. Er habe zwei männliche Prostituierte um die Zeche geprellt und sie mit Kokain und K.-o.-Tropfen versorgt, berichten italienische Medien.
Unangenehm für Salvini. Der fordert seit Jahren harte Strafen für den Besitz von leichten Drogen auch in kleinen Mengen. Vor allem hetzt der Rechtspopulist gegen ausländische Dealer und Migranten. Dennoch hält er an seinem Parteifreund Morisi fest. «Auf mich kannst Du immer zählen. Immer», schreibt er öffentlich an seinen ehemaligen Medienchef.
Hitlergruss und Schwarzgeld
Die Chefin der Fratelli d'Italia, Giorgia Meloni (44), wittert unterdessen ein Komplott gegen ihre Partei. Es geht um eine Videoreportage der Nachrichtenplattform Fanpage, die just zum Wochenende ausgestrahlt wurde. Darin plaudert der hohe Parteifunktionär Carlo Fidanza (45) darüber, wie man Wahlkampagnen mit Schwarzgeld finanziert. Mittlerweile ermittelt die Mailänder Staatsanwalt gegen Fidanza. Der Rechtspopulist ist ebenfalls zurückgetreten.
Damit nicht genug. Zudem wurden in der Fanpage-Reportage Parteigenossen mit versteckter Kamera dabei aufgenommen, wie sie den Arm zum Hitlergruss heben, Judenwitze reissen und Mussolinis Faschismus nachweinen. Giorgia Meloni geht zur Gegenattacke über: «Wenn wir solche Neonazis, solche Diebe wären, bräuchte es keine Fallen und infiltrierte Journalisten, die uns nicht einmal die Zeit lassen, uns zu verteidigen.»