In den 1950er Jahren wurden in Kolumbien zahlreiche Kinder entführt – eine Zeit, die «La violencia» (die Gewalt) genannt wird. Unter ihnen war Marina Chapman (74). Gegenüber «RTL» erzählt die gebürtige Kolumbianerin, die nun in Grossbritannien lebt, von ihrer unglaublichen Kindheit unter Affen, ähnlich wie der Junge Mogli in «Das Dschungelbuch».
Chapman wurde mit vier Jahren entführt und landete im Dschungel. «Es passierte alles so schnell. Die haben mich gepackt wie ein Huhn, und als ich die Augen wieder öffnete, war ich im Dschungel». Ihre Entführer liessen sie dort alleine zurück – während Chapman zuerst noch überzeugt war, jemand würde zurückkommen und sie holen, realisierte sie bald: Sie ist auf sich alleine gestellt.
Kapuzineräffchen als Eltern
Die kleine Chapman war verloren. Alleine im Dschungel. Ihre Rettung: Kapuzineraffen. Eine Gruppe von Tieren nahm das Mädchen auf – und die Vierjährige lernte schnell, sich zu integrieren.
Zwischen fünf und sieben Jahren verbrachte Chapman im Urwald. Genaue Angaben kann sie nicht machen. Sie hatte im Dschungel keine Uhr, keinen Kalender. Auch ihr aktuelles Alter von 74 Jahren ist nur eine Schätzung. In ihrer Zeit im Dschungel ernährte sie sich von Nüssen und Früchten. Sie lebte wie ein Affe und lernte sogar deren Sprache. «Sie haben mir gezeigt, wie man Nüsse mithilfe von Steinen und Stöcken knackt», erklärt Chapman. Nur beim Klettern habe sie sich zu Beginn etwas schwergetan – «aber ich habe nicht aufgegeben und war am Ende richtig gut».
Sie bekam zwei Töchter und schrieb ein Buch
Das unfreiwillige Dschungelabenteuer endete, als das Mädchen von einem Paar per Zufall entdeckt wurde. Glücklich über die Rettung war Chapman aber nicht. In ihrem neuen Zuhause wurde sie geschlagen. Sie flüchtete und wurde von der Familie Forero adoptiert. Als sie erwachsen war, wollte sie nach Grossbritannien, um dort als Nanny zu arbeiten. Allerdings nur für drei Monate.
Doch dann lernte sie John Chapman, ihren heutigen Ehemann, kennen und lieben. Und die Kolumbianerin blieb bis heute in Grossbritannien. Sie bekam zwei Töchter und schrieb ein Buch über ihre unglaubliche Geschichte im Dschungel.
Chagas-Krankheit als Beweis für ihre Jahre im Dschungel
Manche haben allerdings ihre Zweifel, ob Chapman tatsächlich mehrere Jahre im Dschungel unter Affen lebte. Ihr Körper sei Beweis genug, erklärt Veronica Forero (40), die Tochter von Chapman. «Ein Arzt für Tropenkrankheiten, der nichts von der Geschichte meiner Mutter wusste, hat sie untersucht».
Es stellte sich heraus: Capman hatte unter anderem die Chagas-Krankheit, die viel in den Dschungel Südamerikas vorkommt, und ihre Knochen zeigten kleine Risse auf. Dies ist ein Anzeichen von mangelhafter Ernährung. Ob ihre Geschichte nun stimmt oder nicht – klar ist, sie gleicht einem Disney-Film. (zun)