Schon wieder hat Nordkorea eine ballistische Langstreckenrakete getestet. Nachdem die Armee von Diktator Kim Jong-un (39) am Sonntagmorgen Schweizer Zeit schon eine Kurzstreckenrakete ins Japanische Meer feuerte, folgte wenige Stunden später auch ein Langstreckengeschoss. Dieses sei «in einem steilen Abschusswinkel gestartet und nach einem Flug von etwa 1000 Kilometern ins Meer gefallen», teilte der Generalstab Südkoreas am Montag mit.
Laut japanischen Regierungsbeamten hätte die Interkontinentalrakete das Potenzial gehabt, über 15'000 Kilometer weit zu fliegen. Damit hätte die Rakete auch US-amerikanisches Festland erreichen können.
Nordkorea verfügt über zahlreiche verschiedene Raketenmodelle für Kurz-, Mittel- oder Langstrecken. Auch sorgte das Land im September für Schlagzeilen, als es ein Atom-U-Boot zu Wasser liess. Während die Bevölkerung hungert, pumpt Diktator Kim einen grossen Teil seines Budgets in die Verteidigung.
Welches Raketenmodell am Wochenende genau getestet wurde, ist bislang unklar. Allerdings testete Nordkorea bereits im Frühling die neue Hwasong-18. Kim Jong Un und seine Tochter Kim Ju Ae posierten im April öffentlichkeitswirksam vor der Rakete, die auch mit Atom-Sprengköpfen bestückt werden kann. Es handelt sich dabei um die erste interkontinentale Feststoff-Rakete Nordkoreas, die im Gegensatz zu Flüssigstoff-Raketen deutlich schneller einsatzbereit ist und auch besser vor feindlichen Aufklärungssystemen versteckt werden kann.
Nordkorea fühlt sich provoziert
Nordkoreas Verteidigungsministerium warf nur Minuten nach dem Start «den Schurken in den USA und Südkorea» ein rücksichtsloses militärisches Vorgehen vor. Tatsächlich dürfte sich Nordkorea provoziert gefühlt und deswegen Raketentests durchgeführt haben, erklärt Nordkorea-Experte Rüdiger Frank von der Universität Wien gegenüber Blick. «Südkorea hat soeben ein neues Abkommen zur engeren nuklearen Zusammenarbeit mit dem Pentagon abgeschlossen, nachdem die Dreier-Allianz USA-Japan-Südkorea bereits mehrfach in diesem Jahr ihre Kooperation gegen Nordkorea intensiviert hat. Angesichts dieser als provokant und feindlich angesehenen Aktivitäten will Pjöngjang Stärke zeigen.»
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Südkorea habe zudem einen Teil des Militärabkommens mit Nordkorea aufgekündigt. In diesem war unter anderem eine teilweise militärische Abrüstung vorgesehen. Nordkorea reagierte daraufhin, kündigte das gesamte Abkommen auf. «Diesen Worten sollen nun Taten folgen», analysiert Frank. Ausserdem stehe in Nordkorea Ende Dezember ein grösseres Parteitreffen unter Beteiligung von Kim Jong-un an. «Dafür braucht man vorzeigbare Erfolge.»
Gefahr eines Angriffs eher gering
Da helfen auch die Sanktionen und Resolutionen der Uno wenig, die Nordkorea die Durchführung solcher Tests eigentlich verbiete, meint Frank. Die Erfahrung zeige, dass sich Nordkorea kaum um solche Resolutionen kümmere.
Die Gefahr eines tatsächlichen Angriffs schätzt Frank aber eher als gering ein. Zwar könne man nichts ausschliessen, aber das Atomwaffen-Programm Nordkoreas sei grundsätzlich «eindeutig defensiv» ausgerichtet. «Kim Jong-un weiss, dass ein Krieg zu seiner Vernichtung führen würde», so der Nordkorea-Experte. «Wenn wir Nordkorea nicht angreifen, dann ist ein Atomschlag Nordkoreas gegen uns sehr unwahrscheinlich.»