Rund 2,3 Millionen Menschen leben im Gazastreifen auf 365 Quadratkilometern – das sind durchschnittlich 6300 Personen pro Quadratkilometer. Und jedem einzelnen davon geht es seit Jahren schlecht. Die humanitäre Situation ist prekär – und wird durch den Krieg mit Israel nur noch verschlimmert. Kein Strom. Kein Wasser. Kaum Lebensmittel.
Bereits seit einer Woche beschiesst die israelische Armee den Gazastreifen als Antwort auf den brutalen Angriff der radikal-islamistischen Terrorgruppe Hamas auf ihr Land. Schon jetzt zeichnet sich der Horror in Gaza ab. «Ich glaube nicht, dass es morgen noch eine Stadt Gaza geben wird.» Mit diesen Worten wendet sich die palästinensische Journalistin Plestia Alaqad an ihre Follower auf Instagram. Bilder zeigen menschenleere Strassen und zerbombte Häuser.
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Hilfsorganisationen, die in der Region tätig sind, schlagen Alarm. Gegenüber Blick erklärt eine Sprecherin von Amnesty International: «Seit dem Wochenende hat sich die humanitäre Krise, in der sich die palästinensische Zivilbevölkerung seit langem befindet, weiter drastisch verschärft. 340'000 Menschen wurden bis am Donnerstag innerhalb des Gazastreifens vertrieben, ihre Häuser wurden zerstört, viele Menschen verloren durch die Bombenangriffe Israels ihre Angehörigen.»
Wohin flüchten Menschen, die kein Zuhause haben?
Nun sollen 1,1 Millionen Menschen den Norden des Gazastreifens verlassen. Palästinenser sollen zu ihrer eigenen Sicherheit die Städte räumen. Das haben die israelischen Streitkräfte mitgeteilt. Mittlerweile ist Israels Armee im Gazastreifen angekommen: Am Freitagabend hat sie einen «grossangelegten Angriff auf Terrorziele der Hamas im Gazastreifen» gestartet, teilt die Armee auf Telegram mit.
Amnesty International erklärt: «Laut Einschätzung der Uno lässt sich eine wie von Israel geplante Massenevakuierung nicht umsetzen. Wir sind daher der Meinung, dass es verheerende humanitäre Konsequenzen hätte, diese zu erzwingen – besonders wenn die Menschen von der Hamas am Grenzübertritt gehindert werden.»
Doch wohin geht man, wenn es keinen einzigen sicheren Ort im Gazastreifen gibt? Zahlen des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten zeigen: Über 1,5 Millionen Palästinenser leben in 58 anerkannten Palästinaflüchtlingslagern. Diese gibt es etwa in Jordanien, im Libanon, in Syrien und im Westjordanland, einschliesslich Ostjerusalem.
Doch diese Lager sind aktuell unmöglich zu erreichen. In einer Sprachnachricht, die dem britischen Sender Sky News zugesandt wurde, sagte ein Bewohner des nördlichen Gazastreifens, Samy Zyara: «Ich weiss nicht, was ich tun soll, um ehrlich zu sein.»
Und wie sollen sie überhaupt fliehen?
Die Palästinenser, die in den Süden fliehen, sind nicht nur dem Spiessrutenlauf israelischer Bomben ausgesetzt, sondern riskieren auch den Zorn der Hamas. Die Terrorgruppe hat die Grenze in der Vergangenheit geschlossen und schreckt auch nicht vor exemplarischen Hinrichtungen zurück, um die Bevölkerung zu erschrecken. Die Grenze nach Ägypten – die einzige andere Möglichkeit, den Gazastreifen zu verlassen – ist für Palästinenser geschlossen.
Auch Israel hat keine Angaben darüber gemacht, wie Hunderttausende traumatisierte Palästinenser, Kranke, ältere Menschen und Kinder reisen sollen, welche Strasse sie nehmen oder wohin sie gehen sollen. Deshalb heisst es seitens Amnesty International: «Wir fordern Israel auf, die Einrichtung humanitärer Korridore für die Lieferung humanitärer Hilfe nach Gaza zu erleichtern und Verletzten und Zivilpersonen, die vor bewaffneten Konflikten fliehen wollen, eine sichere Durchreise zu ermöglichen.»
Nichts ist für die palästinensische Bevölkerung aktuell sicher, nur: Einen Ausweg aus dem «grössten Freiluftgefängnis der Welt» gibt es für sie aktuell nicht.