Kartelle als neuer Hauptgegner, kaum ein negatives Wort über Putin
Was die neue Bedrohungsanalyse über die Weltsicht der Trump-Regierung verrät

Trumps Geheimdienste sehen mexikanische Drogenkartelle als grösste Gefahr für die USA. China wird auf globaler Ebene als Hauptkonkurrent betrachtet, während Russland gelobt wird. Klimawandel und islamistischer Terror spielen nur noch eine untergeordnete Rolle.
Publiziert: 14.04.2025 um 16:38 Uhr
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Aktualisiert: 15.04.2025 um 08:43 Uhr
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Drogenkartelle stellen nach Ansicht der US-Geheimdienste die grösste Gefahr für die USA dar.
Foto: IMAGO/ZUMA Wire

Darum gehts

  • Trumps zweite Amtszeit: fragwürdige Weltsicht und überraschende Bedrohungsanalyse
  • China als grösste Bedrohung, Russland wird positiv dargestellt
  • 103 Mal wird China in der Analyse erwähnt
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Marian NadlerRedaktor News

Die Regierung Trump 2.0 hat seit Beginn der zweiten Amtszeit des Republikaners schon mehrfach ihren kruden Blick auf die Welt preisgegeben. Etwa mit fragwürdigen Grönland-Ambitionen. «Grönland ist ein unglaublicher Ort, und die Menschen dort werden enorm davon profitieren, falls – und sobald – es Teil unserer Nation wird», ist US-Präsident Donald Trump (78) überzeugt. Ein anderes Mal postete er ein mit künstlicher Intelligenz erstelltes Video, das den Gazastreifen als Immobilien-Paradies zeigt. Und den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (47) schrie er im Oval Office an. «Sie haben bei uns keine guten Karten, Sie haben jetzt schon Probleme», blaffte Trump den Regierungschef an. Ein schockierender Eklat, der in Selenskis vorzeitiger Abreise und einem geplatzten Mineraliendeal mündete.

Wie bizarr Trump und seine Gefolgsleute auf die Welt blicken, belegt auch die jährliche Bedrohungsanalyse der US-Geheimdienste, die Ende März veröffentlicht wurde und die Blick einsehen konnte. So viel ist sicher: Trump legt in Innen- und Aussenpolitik auf andere Sachen wert als sein demokratischer Vorgänger Joe Biden (82). Blick stellt die wichtigsten Erkenntnisse aus dem «Annual Threat Assessment» vor.

Kampf gegen Kartelle und Fentanyl

Nach Meinung der US-Geheimdienste geht die grösste Bedrohung für die Sicherheit der USA aktuell von den Drogenkartellen aus, die mit synthetischen Opioiden wie Fentanyl handeln. Sie machten Millionen Amerikaner zu Abhängigen.

Die US-Behörden nennen mexikanische Kriminellengruppen wie das Sinaloa-Kartell noch vor der staatlichen Bedrohung aus China, Russland, dem Iran oder Nordkorea. Eine Premiere.

«Die Kartelle sind massgeblich für die mehr als 52’000 Todesfälle in den USA durch synthetische Opioide in den zwölf Monaten bis Oktober 2024 verantwortlich und haben die Ankunft von fast drei Millionen illegalen Migranten im Jahr 2024 ermöglicht, was die Ressourcen belastet und die US-Gemeinden gefährdet», liest man in dem Bericht. Die Kartelle würden zu «regionaler Instabilität» beitragen und die «Gesundheit und Sicherheit von Millionen Amerikanern» in Gefahr bringen.

Trump reagierte auf die Gefahr, indem er bestimmte Drogenkartelle per Dekret als ausländische Terrororganisationen einstufen liess. Das gab es noch nie. Zur Bekämpfung der Fentanyl-Krise setzt die Trump-Regierung zudem auf eine restriktive Einwanderungspolitik und Strafzölle gegen Mexiko.

Der Bericht zeigt eine für die Trump-Regierung typische Verhaltensweise. Nach dem Motto «Eigenlob stinkt nicht» klopft sich die US-Regierung schon wenige Wochen nach Beginn der Amtszeit auf die eigene Schulter. Die Gesamtzahl der Migranten, die versuchen würden, die Vereinigten Staaten zu erreichen, sei seit Januar 2025 bereits «deutlich zurückgegangen». «Verstärkte Grenzkontrollen und Massenabschiebungen» wurden in diesem Zuge hervorgehoben.

China, China und nochmals China

Rund ein Drittel der gesamten Analyse beschäftigt sich mit dem Reich der Mitte. 103 Mal findet sich das Wort «China» in dem Bericht. «China sticht als der Akteur hervor, der am ehesten in der Lage ist, die Interessen der USA weltweit zu bedrohen», glauben die Geheimdienstler. Die von Präsident Xi Jinping (71) und der Kommunistischen Partei ausgerufene «grosse Erneuerung der chinesischen Nation» bis 2049 wird mit Argwohn betrachtet.

«Peking wird seine konventionellen militärischen Fähigkeiten und taktischen Streitkräfte weiter ausbauen, den Wettbewerb im Weltraum intensivieren und seine Industrie- und Technologie-intensive Wirtschaftsstrategie fortsetzen, um mit der Wirtschaftsmacht und globalen Führungsrolle der USA zu konkurrieren», prognostizieren die Sicherheitsexperten. Chinas militärische Aufrüstung erfüllt die US-Geheimdienste mit Besorgnis, das Reich der Mitte stelle die «umfassendste und stärkste militärische Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA» dar.

Auch die Situation in Taiwan wird von Trumps Spionen genau beobachtet. China versuche, den Inselstaat wirtschaftlich und militärisch unter Druck zu setzen und gleichzeitig international zu isolieren, heisst es in dem Papier. «Die aggressiven Bemühungen Pekings um die Durchsetzung von Souveränitätsansprüchen im Süd- und Ostchinesischen Meer verschärfen die Spannungen, die einen umfassenderen Konflikt auslösen könnten», warnen Trumps Sicherheitsexperten.

Auch im Internet bedroht China die bisherige Weltordnung. Die Volksrepublik will «die USA bis 2030 als einflussreichste KI-Macht der Welt verdrängen». In diesem Zuge kompromittierten die Chinesen mit ihren «gewaltigen Cyberfähigkeiten» auch US-Infrastruktur.

Lob für Putin

In der Bedrohungsanalyse 2025 kommt ein Staat besonders gut weg: Russland. Das Reich von Kremlchef Wladimir Putin (72) wird im Gegensatz zu China wenig kritisch betrachtet. Die US-Behörden loben stattdessen Russlands Widerstandsfähigkeit angesichts der durch die Invasion in der Ukraine selbst verursachten wirtschaftlichen Herausforderungen. Auch Putin wird glorifiziert. Er scheine bereit, «einen sehr hohen Preis zu zahlen, um sich in einer Zeit durchzusetzen, die er als entscheidend für Russlands strategischen Wettbewerb mit den Vereinigten Staaten, die Weltgeschichte und sein persönliches Erbe ansieht».

Die russische Bevölkerung habe den Krieg zum grossen Teil akzeptiert. Das Auftauchen eines politischen Rivalen erscheine daher «unwahrscheinlicher als je zuvor».

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Dennoch sprechen sich die US-Geheimdienste für ein rasches Ende des Konflikts aus. «Die Fortsetzung des Krieges birgt für die USA strategische Risiken: eine unbeabsichtigte Eskalation hin zu einem gross angelegten Krieg, der mögliche Einsatz von Atomwaffen, eine zunehmende Unsicherheit unter den Nato-Verbündeten, insbesondere in Mittel-, Ost- und Nordeuropa, sowie ein stärkeres Auftreten Chinas und Nordkoreas», werden als Begründung genannt.

Zwischen den Zeilen liest man: Putin kann tun und lassen, was er will, solange der Krieg keine negativen Folgen für die USA hat. Was aus der Ukraine wird, ist dem Weissen Haus egal.

Diese Achse könnte den USA ernsthafte Probleme bereiten

Grund für Besorgnis sieht man eher in der zunehmenden Kooperation der Feinde untereinander. Die neu geschaffene Achse aus China, Russland, dem Iran und Nordkorea bedeute «neue Herausforderungen für die globale Stärke und Macht der USA» inklusive der erhöhten Wahrscheinlichkeit, «dass Spannungen oder Konflikte zwischen den USA und einem dieser Gegner einen weiteren mit hineinziehen».

Vor allem die Kooperation zwischen Russland und China bereitet Kopfzerbrechen. Es drohten «dauerhafte Risiken» für die USA, glauben die Sicherheitsexperten.

Im Bericht geht es an mehreren Stellen um die Arktis und Grönland. China strebe direkten Zugang zu den gewaltigen natürlichen Ressourcen der Region an. Peking betrachte die Insel als «wichtigen strategischen Stützpunkt» für die Zukunft. Gleiches gelte für Russland. Moskau sei insbesondere auch an Grönland interessiert, weil strategisch wichtige Seewege zwischen der Arktis und dem Atlantik dort verliefen. Der US-Militärstützpunkt auf der Insel ist Putin ein Dorn im Auge.

Die Gefahr durch andere Feinde schätzen die USA als gering ein. Das Regime im Iran sei aktuell vor allem mit dem eigenen Machterhalt beschäftigt. Dafür würden wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung, geringes Wirtschaftswachstum und hohe Inflation sorgen. Eine Wiederaufnahme des im Jahr 2003 ausgesetzten Atomwaffenprogramms sei nicht zu erwarten. Dann gibt es noch Nordkorea, das nach Einschätzung der US-Geheimdienste aber von seinen Verbündeten China und Russland abhängig ist und ohne sie keine grosse Gefahr ausstrahlt.

Islamische Terroristen und Klimawandel? Unwichtig

Radikale Islamisten kommen in dem Bericht nur als Randnotiz vor. Der «Islamische Staat» habe im Nahen Osten schwere Rückschläge hinnehmen müssen. Am gefährlichsten soll laut den US-Geheimdiensten momentan der IS-Ableger in Südasien sein. Al Kaida soll zudem nur noch auf regionaler Ebene eine echte Gefahr darstellen.

Erstmals seit einem Jahrzehnt taucht in dem Bericht zudem keine Warnung vor dem Klimawandel auf. Die Regierung Trump 2.0 hat andere Prioritäten.

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