«Es ist richtig, denn es ist wirklich Krieg in Europa»
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Scholz zu Panzerlieferungen:«Es ist richtig, denn es ist wirklich Krieg in Europa»

Kampfjet-Debatte – jetzt ärgert auch SPD-Chefin Saskia Esken (64) den deutschen Kanzler
Hat Olaf Scholz seinen Laden noch im Griff?

Erst greift FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann den Regierungschef an. Dann provoziert Aussenministerin Annalena Baerbock mit unbedachten Kriegs-Äusserungen. Jetzt fällt SPD-Chefin Saskia Esken zum Thema Kampfjets dem Kanzler in den Rücken.
Publiziert: 31.01.2023 um 12:04 Uhr
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Der deutsche Regierungschef Olaf Scholz sprach am Sonntag auf einem Treffen mit chilenischen Unternehmern in Santiago auch über die Kriegsdebatte in Deutschland.
Foto: AFP
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Myrte MüllerAussenreporterin News

Eigentlich geht es Olaf Scholz (64) in diesen Tagen um ein Freihandelsabkommen, um Lithium-Lieferungen und die Rettung des Regenwalds. Seit Samstag ist der deutsche Kanzler auf Südamerika-Tour. Er besuchte Argentinien, flog im Anschluss nach Chile, bevor es dann nach Brasilien weitergeht.

Die Hiobsbotschaften aus der Heimat erreichen den Kanzler auch auf der anderen Seite der Welt. In Deutschland reisst die Debatte über die Lieferungen schwerer Waffen in die Ukraine nicht ab. Nach den Kampfpanzern fordert Wolodimir Selenski (45) nun auch Kampfjets. Das lehnte Scholz noch vor einigen Tagen kategorisch ab. Er wolle keine Eskalation im Krieg mit Russland. Doch dafür sorgt gerade seine Aussenministerin Annalena Baerbock (44). Wenn auch ungewollt.

Am vergangenen Dienstag hatte die grüne Politikerin vor dem Europarat in Strassburg (F) an westliche Verbündeten appelliert, «gemeinsam im Krieg gegen Russland zu kämpfen und nicht gegeneinander». Damit hatte die Aussenministerin den Westen im Nebensatz zur Kriegspartei erklärt. Moskau reagierte empört.

Scholz warnt vor «Überbietungswettbewerb»

Trotz deutlicher Worte fällt auch die SPD-Vorsitzende Saskia Esken (61) ihrem Kanzler am Sonntag in der ZDF-Sendung «Berlin direkt» in den Rücken. Auf die Frage nach den Kampfjets weicht die Sozialdemokratin aus. Statt zu sagen, Deutschland liefere keine Tornados, antwortet Esken, die Regierung sei in diesen Fragen in sehr enger Abstimmung mit den US-Amerikanern. Aus der CDU/CSU heisst es, was Waffenlieferungen an die Ukraine angehe, dürfte die Regierung keine roten Linien ziehen.

Olaf Scholz ist verärgert. «Es ist eigenwillig, dass diese Debatte geführt wird.» Nötig sei stattdessen eine seriöse Debatte, in der das entschieden werde, was zu entscheiden sei. Scholz warnte aus dem fernen Chile vor einem «Überbietungswettbewerb» aus innenpolitischen Motiven.

Immer wieder Zwist in der Ampel-Koalition

Das neue Jahr wurde politisch überschattet vom Zwist innerhalb der Ampel-Koalition. Weil der deutsche Kanzler mit der Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern zögerte, sie abhängig machte von einer Lieferung von US-Panzern, wurde Olaf Scholz angegriffen. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (64), Vize-Bundesvorsitzende der FDP, stellt vor laufenden TV-Kameras fest: «Deutschland hat versagt.»

Ob Ukraine-Hilfe, Corona-Impfpflicht, Atomenergie, Tankrabatt, Schuldenbremse – in der Ampel gab es in dem einen Jahr seit Bestehen immer wieder Zoff. Hat Olaf Scholz seine Regierung noch im Griff? «Durchaus», findet Ursula Münch und nennt gleich mehrere Gründe. «Zwar fordern die kleinen, aber sehr selbstbewussten Koalitionspartner in der politischen Entscheidung Augenhöhe, doch niemand von ihnen hat Interesse an einem Regierungswechsel oder gar an Neuwahlen. Es gibt zurzeit keine Alternative für sie», sagt die Politikwissenschaftlerin von der Akademie für Politische Bildung in Tutzing (D).

«Olaf Scholz hält den Laden zusammen»

Olaf Scholz habe zudem eine gewisse Autorität, sagt Münch «Er setzt auf Führung und nicht aufs Kommunizieren», sagt die Münchner Professorin weiter, «da die Kanzlerpartei weniger Stimmen hat als die Grünen und die FDP zusammen, gewinnen die Koalitionspartner an Gewicht.» Trotz aller Unterschiedlichkeit habe die Ampel in dieser sehr schwierigen Zeit doch einiges auf die Beine gestellt. Deutschland sei bislang gut durch den Winter gekommen. Die Inflation gehe leicht zurück. Soziale Spannungen und Protestbewegungen seien ausgeblieben.

Münch hält Olaf Scholz für durchsetzungsfähig und integrativ. «Der Kanzler lässt seine Partner vieles machen. Er hält den Laden zusammen.» Es seien auch weniger die eigenen Regierungsmitglieder, die versuchten, Scholz in gewisse Richtungen zu drängen, sondern eher die Fraktionen. Vorneweg Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP und Anton Hofreiter (52) von den Grünen. Da geht es wohl auch mehr um persönliche Ambitionen, sagt Ursula Münch.


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