Jack Smith (54) ist von Donald Trump (76) bereits mit einer Reihe von Trump-typischen Nettigkeiten bedacht worden. Als «geistesgestört», «Trump-Hasser» und «Feigling» hat der frühere US-Präsident den Sonderermittler bezeichnet, der in der Dokumentenaffäre eine Anklage gegen ihn erwirkt hat. Smith scheint aber nicht der Typ zu sein, der sich von solchen Äusserungen einschüchtern lässt. In seiner langen Justizkarriere hat der 54-jährige Staatsanwalt einige politisch heikle Verfahren vorangetrieben und zu Kriegsverbrechen ermittelt.
Die Dokumentenaffäre um Trump ist gleichwohl ein Fall von einmaliger politischer Dimension: Trump ist nicht nur der erste Präsident der US-Geschichte, gegen den die Bundesjustiz eine Anklage erhoben hat. Trump ist auch haushoher Favorit im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner – und hat damit besten Chancen, Amtsinhaber Joe Biden bei der Wahl im November 2024 herauszufordern. Der Rechtspopulist, der am Mittwoch 77 Jahre alt wird, bezeichnet sich immer wieder als Opfer politisch motivierter Ermittlungen.
War Chefkläger für Kosovo-Kriegsverbrechen
Solche Vorwürfe hat Smith energisch zurückgewiesen: «Gesetze anwenden, Fakten sammeln, das bestimmt den Ausgang einer Ermittlung. Nicht mehr und nicht weniger», sagte der Sonderermittler am Freitag nach Veröffentlichung der Anklage gegen Trump. Das Recht des Landes gelte für «alle» Menschen gleichermassen.
Der auf manchen Fotos grimmig dreinblickende Jurist und Vollbart-Träger arbeitete in Den Haag als Chefankläger am Sondertribunal für Kriegsverbrechen im Kosovo, als US-Justizminister Merrick Garland ihn im November zum Sonderermittler in der Causa Trump ernannte. Smith leitete fortan nicht nur die Ermittlungen zu zahlreichen Geheimdokumenten, die Trump zum Ende seiner Amtszeit im Januar 2021 aus dem Weissen Haus in sein Privatanwesen Mar-a-Lago mitgenommen hatte, sondern auch zu Trumps Rolle bei der Kapitol-Erstürmung vom 6. Januar 2021.
Der Mann für politisch höchst brisante Ermittlungen
Smith arbeitete mit grösster Diskretion, Interviews oder öffentliche Auftritte gab es bis zur Veröffentlichung der Anklage nicht. Als ein Kamerateam den Sonderermittler einige Tage zuvor abgefangen hatte, war dieser mit stoischer Miene weitergelaufen und hatte die ihm zugerufenen Fragen ignoriert. Der Absolvent der Elite-Universität Harvard hatte seine Karriere als Staatsanwalt in den 1990er Jahren in New York begonnen. 1999 wechselte er an eine der Bundesstaatsanwaltschaften in der Millionenmetropole, wo er neun Jahre lang arbeitete.
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2008 ging Smith an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Dort arbeitete er zwei Jahre lang als Ermittlungskoordinator und beaufsichtigte Ermittlungen gegen ausländische Regierungsvertreter und Milizen wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord.
Smith kehrte dann in die USA zurück und leitete im Justizministerium fünf Jahre lang die Abteilung für öffentliche Integrität, zuständig für grosse Korruptionsfälle im ganzen Land. Er ermittelte dabei zu Politikern der Demokratischen Partei wie der Republikaner. Später wechselte er zur Bundesstaatsanwaltschaft im Südstaat Tennessee, bevor er 2018 wieder den Atlantik überquerte und seine Arbeit als Chefankläger beim Kosovo-Sondertribunal in Den Haag begann.
Die Ermittlungen gegen frühere Verantwortliche der Befreiungsarmee des Kosovo (UCK) waren politisch höchst brisant, denn im Visier standen im Kosovo mächtige und beliebte Persönlichkeiten. 2020 erwirkte Smith eine Anklage gegen den damaligen kosovarischen Präsidenten Hashim Thaci (55), der in der Folge zurücktrat und dessen Prozess in Den Haag wegen mutmasslicher Kriegsverbrechen Anfang April begann.
Trump am Dienstag vor Gericht
Bereits im vergangenen Dezember – und damit kurz nach Smiths Abgang – hatte das Sondertribunal in seinem ersten Prozess den ehemaligen UCK-Kommandeur Salih Mustafa wegen Mordes und Folter zu 26 Jahren Haft verurteilt. Smith hatte diesen Prozess als «Meilenstein» bezeichnet.
Smiths Wechsel zurück nach Washington verzögerte sich nach seiner Ernennung zum Trump-Sonderermittler. Der begeisterte Triathlet hatte sich Medienberichten zufolge bei einem Fahrradunfall eine Beinverletzung zugezogen und musste die noch auskurieren. Die Ermittlungen gegen den Ex-Präsidenten trieb der mit einer Dokumentarfilmerin verheiratete Smith aber in raschem Tempo voran.
Nach der Anklage gegen Trump erklärte Smith, einen «zügigen Prozess» anzustreben. Der Fall wird vor einem Bundesgericht in Miami nicht weit entfernt von Mar-a-Lago verhandelt. Trump muss am Dienstag erstmals vor Gericht erscheinen, der weitere zeitliche Ablauf ist noch unklar.
Wenige Zweifel gibt es daran, dass Smith sich von Trump noch viele weitere Verbalattacken wird anhören müssen. Der Rechtspopulist hat auch Smiths Ehefrau attackiert, die den Dokumentarfilm «Becoming» über die frühere First Lady Michelle Obama (59) produziert hat. Und Trumps Wut könnte noch wachsen – wenn Smith sich auch wegen der Kapitol-Erstürmung für eine Anklage gegen den Ex-Präsidenten entscheiden sollte. (AFP)