Jungunternehmer, Polit-Talent und Ampel-Spalter
Trotz Entlassung: Christian Lindner hat als Finanzminister noch nicht fertig

Christian Lindner gründete schon als Gymnasiast seine erste Firma. Auch in die Politik ging er früh. Als Finanzminister wurde er nun von Kanzler Scholz geschasst. Doch der Chef der deutschen FDP plant seine Rückkehr ins Kabinett.
Publiziert: 09.11.2024 um 17:47 Uhr
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Aktualisiert: 11.11.2024 um 10:57 Uhr
Am letzten Donnerstag wurde Christian Lindner als Finanzminister offiziell entlassen.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

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Daniel JungRedaktor News

Die Ampelkoalition in Deutschland ist Geschichte: Am Mittwochabend trat Bundeskanzler Olaf Scholz (66, SPD) vor die Medien und verkündete das Ende des Dreier-Bündnisses. Als Schuldigen benannte er Christian Lindner (45, FDP). Der Finanzminister habe «zu oft kleinkariert parteipolitisch taktiert» und sein Vertrauen wiederholt gebrochen. Dem FDP-Chef gehe es einzig um seine Klientel und das Überleben der eigenen Partei. «Solcher Egoismus ist unverständlich», donnerte Scholz. 

Tags darauf holte Lindner zum Gegenschlag aus. Die Ampel-Regierung habe die wirtschaftlichen Sorgen der Bürgerinnen und Bürger lange verharmlost, den Akzeptanzverlust im Volk nicht realisiert. Nicht er habe den Bruch der Koalition verursacht, sondern Scholz – indem er von Lindner «ultimativ» verlangt habe, die Schuldenbremse auszuhebeln. Damit habe der Bundeskanzler seinen Amtseid verletzt, so Lindner. Zuletzt zeige Scholz auch mit der «Entlassungsinszenierung» staatspolitisch wenig Verantwortungsbewusstsein.

Die gegenseitigen Vorwürfe sind heftig. In vielen Online-Kommentaren wurde Lindner mit Häme übergossen. Doch er plant bereits sein Comeback. 

Klar ist: Die Zusammenarbeit in der Ampel-Regierung aus Sozialdemokraten, Grünen und FDP war von Anfang an schwierig. Mit immer neuen Krisen – Ukrainekrieg, Budget-Problemen, Absturz der Automobilindustrie – wurde das Kompromisse-Schmieden immer heikler. 

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Nach dem Ampel-Aus: FDP-Chef Christian Lindner kritisiert Bundeskanzler Scholz im Hans-Dietrich-Genscher-Haus in Berlin.
Foto: imago/Mike Schmidt

Dabei fuhr Lindners FDP bei Landtagswahlen katastrophale Ergebnisse ein: In Thüringen erreichte die Partei dieses Jahr 1,1 Prozent (–3,9), in Brandenburg nur noch 0,8 Prozent (–3,1). Das setzt den Parteivorsitzenden gewaltig unter Druck. 

«Probleme sind nur dornige Chancen»

Geboren wurde Lindner 1979 in Wuppertal. Schon mit 16 Jahren trat er der FDP bei. 2000 gewann er als jüngster Abgeordneter die Wahl in den nordrhein-westfälischen Landtag.

Schon in jungen Jahren gründete er eine Unternehmensberatung. In einem kultigen Video der Jugendsendung «100 Grad» aus dem Jahr 1997 wird Lindner als «echter Durchstarter» beschrieben. Dem Gymnasiasten mit selbstbewusstem Auftritt wird auch eine «grosse Klappe» zugeschrieben. Die Maxime des Jungunternehmers: «Probleme sind nur dornige Chancen.» Ein im Jahr 2000 gegründetes Internet-Unternehmen ging in der Dotcom-Krise pleite.

Lindner studierte Politikwissenschaften, Staatsrecht und Philosophie an der Uni Bonn. Während des Studiums war er Reserveoffizier bei der Luftwaffe, heute ist er Major der Luftwaffen-Reserve.

Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle (1961–2016) machte Lindner 2009 zum Generalsekretär der Bundespartei. Die «FAZ» schrieb damals, er liebe schnelle Autos, grosse Armbanduhren und verfüge über einen «messerscharfen Verstand». 

2013 flog die FDP aus dem Bundestag. Danach wurde Lindner Bundesvorsitzender. Vier Jahre später führte er die Partei zurück ins Parlament – mit 10,7 Prozent. 

«Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.» Diesen denkwürdigen Satz sagte Lindner 2017 nach dem Scheitern der Sondierung für eine Koalition mit CDU und Grünen. 

2021 brachte Lindner die FDP mit 11,4 Prozent erneut als viertstärkste Partei ins Parlament. Er wurde Finanzminister der Ampel – bis er am Mittwoch von Scholz geschasst wurde.

Promi-Hochzeit auf Sylt

Privat war Lindner zwischen 2011 und 2020 mit der Journalistin Dagmar Rosenfeld (50) verheiratet. 2022 gab er seiner zweiten Frau das Jawort, der Reporterin Franca Lehfeldt (35). An der viel beachteten Promi-Hochzeit nahmen sowohl Olaf Scholz als auch CDU-Chef Friedrich Merz (68) teil, der mit dem Privatflugzeug anreiste. 

In der «Bunten» erklärte Lindner 2021, dass er und Lehfeldt Kinder haben möchten: «Tatsächlich ist mein grösster Wunsch an das Leben auch nicht, einmal Minister in der Regierung zu sein. Sondern bald zwei, drei oder vier Mädchen oder Jungs zu haben», sagte er. 

Bekannt ist, dass sich Lindner 2013 einer Haartransplantation unterzog. Auf Twitter zitierte der Fan von Borussia Dortmund damals den Fussball-Trainer Jürgen Klopp (57), der zuvor über seinen eigenen Haar-Zuwachs gesprochen hatte: «Um es mit Jürgen Klopp zu sagen: Ich finde, das Ergebnis ist ganz cool geworden, oder?» 2022 wurde im Netz eifrig über weitere Beauty-Eingriffe bei Lindner spekuliert – was dieser allerdings dementierte.

Lindner ist regelmässig in der Schweiz zu Gast. Als er vor einem Jahr an der Universität Luzern erklärte, er freue sich, in der «freisinnigen Schweiz» zu sein, lebe aber im «staatsgläubigen Deutschland», sorgte das für heftige Kritik von den Ampel-Partnern. 

Lindner will Finanzminister bleiben

Am Donnerstag machte Christian Lindner klar, dass er auch in der nächsten deutschen Regierung Finanzminister werden möchte. In einem Abschiedsbrief an die Mitarbeiter des Ministeriums schrieb er: «Ich werde daher umso überzeugter dafür kämpfen, die noch nicht abgeschlossenen Projekte in einer anderen Regierung nach neuen Wahlen umsetzen zu können.»

Dies wäre am ehesten denkbar unter einem CDU-Bundeskanzler Merz – vorausgesetzt, die FDP bleibt im Bundestag. Eine Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen vom Freitag sah die Partei bei 3 Prozent – damit würde die FDP an der 5-Prozent-Hürde scheitern und nicht im Parlament vertreten sein. 

Der frühere Durchstarter hat also wiederum eine schwierige Aufgabe vor sich. Ob das Ampel-Aus ebenfalls nur eine «dornige Chance» für ihn bedeutet?

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