Die Klimajugend motzt. Ist enttäuscht von der Politik. Zu Recht, sagt Sonia Seneviratne (46). Die ETH-Klimaforscherin hat am Sonderbericht des Weltklimarats zum 1,5-Grad-Ziel mitgearbeitet. «Das Netto-Null-Ziel bis 2050 ist nicht ambitioniert genug», kritisiert sie. Die Schweiz schummle: Einen Teil der CO2-Reduktion will man durch Kompensation im Ausland erreichen – indem in anderen Ländern Solaranlagen oder Aufforstungen finanziert werden. «Für das sichere Klimaziel, das dauerhafte Schäden vermeidet, dürfte eigentlich ab 2040 die ganze Menschheit nicht mehr CO2-Emissionen ausstossen, als sie aus der Atmosphäre entfernen kann.»
Die Expertin sagt, was jetzt passieren muss:
1. Eine grüne Post-Corona-Wirtschaft
Die Wirtschaft muss auf die richtige Weise wieder hochgefahren werden. Das Swiss-Rettungspaket vom Frühjahr ist ein Negativ-Beispiel: Rettungspakete müssen Umweltfaktoren berücksichtigen. Sonst finanzieren die Wirtschaftshilfen sogar eine Steigerung der Emissionen.
2. Schluss mit fossilen Energien
Öl, Gas und Kohle müssen komplett verschwinden: bei der Gebäudebeheizung, beim Transport. Weg mit den Verbrennungsmotoren, her mit Zügen, Elektroautos und Velos. «90 Prozent der Schweizer Emissionen können wir damit einsparen», sagt Expertin Seneviratne. «Wenn man konsequent ist.»
3. Weniger Flugverkehr
Aktuell macht der Flugverkehr 12 bis 19 Prozent der Schweizer Emissionen aus. Eine Reduktion um zwei Drittel muss laut Expertin geprüft werden. Corona habe gezeigt, dass viele Businessflüge nicht nötig seien. Und zumindest in Europa lassen sich viele Flüge durch Zugfahrten ersetzen.
4. CO2 «lagern»
Emissionen aus nicht vermeidbarem Flugverkehr und dem Klimakiller Beton – ohne den kaum ein Haus auskommt – lassen sich nur schwer vermeiden. Diese restlichen ca. zehn Prozent Emissionen können möglicherweise mittels Technologie aus der Luft gefiltert und unterirdisch gespeichert werden – daran arbeitet etwa das Zürcher Unternehmen Climeworks. Dazu kann Aufforstung helfen.
5. Zwischenziele setzen
2050 – und auch 2040 – klingen weit weg. Damit Politiker das Problem nicht aufschieben, sollte das Parlament klare Zwischenziele beschliessen – und zwar schon für die kommenden zwei Jahre. (kin)