Einmal mehr ist Ex-Präsident Donald Trump (77) im Visier der Justiz. So befasste sich ein Berufungsgericht in der US-Hauptstadt Washington mit der Frage der Immunität des ehemaligen Präsidenten.
Hintergrund waren die Versuche des Republikaners, das Wahlergebnis der Präsidentenwahl 2020 zu kippen. Dabei beschäftigte sich das Gericht mit der Frage, ob Trump auf Bundesebene strafrechtlich verfolgt werden kann – oder ob er als Ex-Präsident durch Immunität geschützt ist.
Anders als sonst trabte Trump dieses Mal höchstpersönlich vor Gericht an und sagte aus. Der Ex-Präsident hatte erst am Montag angekündigt, dass er an dem Gerichtstermin teilnimmt. «Das Minimum, auf das ich Anspruch habe, ist Immunität gegen die falschen Anschuldigungen Bidens!» schrieb er in seinem eigenen Onlinenetzwerk Truth Social.
Dass Trump nun bei der Anhörung des Berufungsgerichts in Washington persönlich erscheinen will, dürfte vor allem seinem Wahlkampf geschuldet sein. Denn Trump, der insgesamt mit vier strafrechtlichen Anklagen konfrontiert ist, will für die Republikaner noch einmal ins Weisse Haus einziehen. Worum es genau geht und wie die Anhörung verlief – Blick liefert die wichtigsten Antworten.
Darum geht es
Trump ist im Zusammenhang mit versuchtem Wahlbetrug angeklagt. Die Anwälte des 77-Jährigen wollen, dass die Anklage fallengelassen wird. Anhänger Trumps hatten am 6. Januar 2021 das Kapitol in Washington gestürmt. Dort war der Kongress zusammengekommen, um den Sieg des Demokraten Joe Biden bei der Präsidentenwahl formal zu bestätigen. Trump hatte seine Anhänger zuvor bei einer Rede aufgewiegelt und akzeptiert seine Niederlage bis heute nicht. Infolge der Krawalle kamen damals fünf Menschen ums Leben.
Das sagen Trumps Anwälte
Trump und sein Team behaupten, dass das Vorgehen des Republikaners nach der Präsidentenwahl 2020 zu seinen offiziellen Pflichten als Präsident gezählt habe. So gehörten Erklärungen zu Wahlen in den Verantwortungsbereich des Präsidenten. Trumps Anwälte sagten vor Gericht ausserdem, dass es nur möglich sei, einen Präsidenten strafrechtlich zu verfolgen, wenn dieser zuvor in einem Amtsenthebungsverfahren schuldig gesprochen worden sei. Das ist bei Trump nicht der Fall.
Wenige Wochen nach der Erstürmung des Kapitols sprach der US-Senat Trump in einem Amtsenthebungsverfahren von der Verantwortung frei, weil seine Republikaner mehrheitlich hinter ihm standen. Es ist ein politisches Verfahren, dessen Ausgang auch von politischen Mehrheiten abhängt. Daher erscheint die Argumentation des Trump-Teams fragwürdig, und auch das Berufungsgericht liess während der rund 75-minütigen Anhörung Skepsis erkennen. Und: Selbst Republikaner sagten damals, es sei Sache der Justiz und nicht des Kongresses, Trump zur Verantwortung zu ziehen.
Das sagt die Staatsanwaltschaft
Wie die «New York Times» berichtet, haben die drei Bundesberufungsrichter Trump am Dienstag ganz schön in die Mangel genommen.
Sie äusserten am Dienstag grosse Skepsis gegenüber der zentralen Verteidigung des ehemaligen Präsidenten. Alle Richter des dreiköpfigen Gremiums des US-Berufungsgerichts für den District of Columbia Circuit – bestehend aus zwei demokratisch und einem republikanisch ernannten Richter – bedrängten einen Anwalt Trumps mit harten Fragen zu den Argumenten, die er zur Stützung der Immunitätsansprüche vorbrachte.
Das Team von Sonderermittler Jack Smith forderte das Gericht auf, den Antrag des Ex-Präsidenten abzulehnen. «Der Präsident hat eine einzigartige verfassungsmässige Rolle, aber er steht nicht über dem Gesetz», sagte Ermittler James Pearce aus dem Team Smiths. Die Staatsanwaltschaft gab ausserdem zu bedenken, dass unbegrenzte strafrechtliche Immunität eines Präsidenten Tür und Tor öffnen würde für kriminelle Handlungen jeglicher Art. So könne ein Präsident nach dieser Logik zum Beispiel politische Gegner töten, ohne belangt zu werden.
Vor einigen Wochen hatte bereits die zuständige Richterin in dem Verfahren einen entsprechenden Antrag abgelehnt und deutlich gemacht, dass das Kippen eines Wahlergebnisses nicht zu den offiziellen Pflichten eines Präsidenten zähle.
Auch das Berufungsgericht deutete nun an, der Argumentation von Trumps Anwälten nicht zu folgen. «Ich denke, es ist paradox zu sagen, dass seine verfassungsmässige Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Gesetze getreu ausgeführt werden, ihm erlaubt, gegen das Strafrecht zu verstossen», zitierte der Sender CNN eine Richterin.
Frage dürfte vor Supreme Court landen
Egal, wie das Berufungsgericht entscheiden wird – der Fall dürfte wegen seiner immensen Bedeutung ohnehin am Ende vor dem Obersten Gericht der USA landen. Es wäre das erste Mal, dass sich der Supreme Court mit der Frage beschäftigt, ob Ex-Präsidenten Immunität vor Strafverfolgung auf Bundesebene geniessen. Das liegt auch daran, dass noch nie zuvor in der Geschichte der Vereinigten Staaten ein ehemaliger US-Präsident wegen strafrechtlicher Vergehen angeklagt wurde.
Von der Entscheidung hängt viel ab. Zum einen steht und fällt damit die Anklage gegen Trump wegen versuchten Wahlbetrugs. Auch für den Wahlkampf ist der Ausgang entscheidend. Trump will nach der Präsidentenwahl 2024 für die Republikaner noch einmal ins Weisse Haus einziehen. Die Vorwahlen für die Kandidatur stehen kurz bevor. Trump führt in parteiinternen Umfragen mit Abstand. Bisher deutet alles auf eine Neuauflage des Wahlkampfs zwischen ihm und Amtsinhaber Joe Biden hin.
Trump, der insgesamt mit vier strafrechtlichen Anklagen konfrontiert ist, stellt sich immer wieder als Opfer der Justiz dar. Das verfängt bei seinen Anhängern. Ein Erfolg in der Immunitätsfrage dürfte ihm weiteren Auftrieb verleihen. Um dieses Narrativ zu stärken, ist Trump wohl auch am Dienstag persönlich vor Gericht erschienen – obwohl er dazu nicht verpflichtet war.
Causa Trump könnte Präzedenzfall schaffen
Nicht zuletzt hat die Entscheidung über den Schutz vor Strafverfolgung immense Bedeutung für künftige Präsidenten. Sollten diese wirklich Immunität geniessen, könnten sie Straftaten im Amt begehen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.
Auf der von ihm mitbegründeten Online-Plattform Truth Social machte Trump am Vortag nochmals seine Sicht der Dinge klar: Natürlich habe er als Präsident der USA und Oberbefehlshaber Anspruch auf Immunität gehabt. Er habe als Präsident lediglich sein Land verteidigt, schrieb er. Seiner Argumentation nach hat es sich bei seinem Verhalten damals nicht um Wahlkampf gehandelt. (dzc/AFP/SDA)