Viren verändern sich ständig durch Mutation. Seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie Ende 2019 haben sich zahlreiche Varianten des Coronavirus gebildet. Delta gilt als die bislang aggressivste. Laut Wissenschaftlern bilden sich neue Varianten vorab in den Körpern von ungeimpften Menschen. Ungeimpfte seien ein Hauptgrund für das Auftreten neuer Varianten.
Demnach repliziert sich das Virus bei ungeimpften Personen schneller, was die Wahrscheinlichkeit von Mutationen erhöht. Als neueste Variante ist Epsilon auf dem Radar von Wissenschaftlern. «Dies ist besorgniserregend, da es übertragbarer ist als die ursprünglichen Stämme des Virus», sagt Dr. Purvi Parikh, Fachärztin für Allergien und Immunologie beim Allergy & Asthma Network in New York. Es gebe erste Anzeichen dafür, dass die Variante gegen Impfstoffe resistent sein könnte, sagte Parikh dem US-Gesundheitsportal Healthline.
Covid-19-Impfstoffe der neuen Generation scheinen den bisher verbreiteten Varianten Gamma, Lambda, Delta und Delta Plus weitgehend standzuhalten. Laut Dr. Michael Saag, Professor für Medizin, Infektionskrankheiten und Virologie an der University of Alabama, sei eine gefährliche neue Variante jedoch «nur eine Frage der Zeit». Die Uhr ticke: «Nehmen wir einmal an, dass hypothetisch eine neue Variante auftauchen könnte, bei der wir nicht so viel Glück haben und die bestehenden Impfstoffe nicht wirken», so Saag. «Ich nenne diese hypothetische Variante Omega. Das ist die, vor der wir uns alle fürchten. Sie ist noch nicht eingetreten, und wir hoffen, dass sie nicht eintritt. Aber je länger die Übertragung andauert, desto wahrscheinlicher wird sie.» Impfungen, so ist Saag überzeugt, brechen nicht nur die Übertragungs-, sondern auch die Mutationskette.
Ungeimpfte spielen «grosse Rolle» bei neuen Varianten
Geimpfte können sich weiter anstecken, bauen die Viruslast aber viel schneller ab und stellen damit ein weit geringeres Risiko für Mitmenschen dar als Ungeimpfte, die für die Mutation von Viren einen idealen Wirt darstellen. Ungeimpfte «spielen eine grosse Rolle. Wenn alle geimpft sind, sinken die Infektionen und damit auch die Varianten auf null», erklärt Immunologin Parikh. «Aber wenn das Virus zu leicht einen Wirt findet, wie zum Beispiel eine ungeimpfte Person, dann kann es leicht zu einer ansteckenden und virulenten Form mutieren.»
Eines der Hauptmerkmale des Coronavirus ist das Spike-Protein, das es ihm ermöglicht, sich an eine Wirtszelle zu heften, in sie einzudringen und eine Infektion zu verursachen. Auf dieses Spike-Protein zielen die Impfstoffe ab, um das Virus zu blockieren.
Bei Ungeimpften jedoch dringt das Virus ein, kapert die Zelle und verwandelt sie in eine Fabrik. Es stellt dann Tausende von Kopien von sich selbst her. Wenn dabei ein Kopierfehler entsteht, sprechen Wissenschaftler von einer Mutation.
Impfungen bremsen Mutationen
Ein mutiertes Virus kann aggressiver sein und leichter in Körperzellen eindringen. Wenn sich Mutationen im Laufe der Zeit anhäufen, entstehen neue Varianten eines Virusstamms. Delta hat bereits alle Varianten überflügelt, indem es sich schneller und in grösserer Zahl vermehrt.
«Geimpfte haben ein geringeres Ansteckungsrisiko, sind weniger ansteckend, erholen sich schneller und verringern auch die Möglichkeit von Mutationen», sagt die südafrikanische Molekularbiologin und Virologin Sarah Downs. Ihre These dokumentiert sie mit einem langen Twitter-Thread. Eine Impfung, so Downs, bedeute eine «geringere Chance für eine Mutation».
Dem kann Virologe Saag nur beipflichten. Impfungen würden Mutationen und folglich auch die Bildung neuer Varianten erschweren: «Wir schreien von den Dächern, so gut wir können, um die Menschen zu warnen. Diese Impfstoffe funktionieren ausserordentlich gut und sind so sicher wie kein anderer Impfstoff, den wir je gesehen haben. Ich wüsste nicht, was wir uns noch mehr wünschen könnten.» (kes)