Impeachment-Zoff spaltet die «Grand Old Party»
120 Top-Republikaner planen neue Anti-Trump-Partei

Weil ihre Partei zu Trump hält, wollen sich Ex-Funktionäre der Republikaner abspalten. Das Trump-Lager spottet – doch die Pläne bedrohen die «Grand Old Party».
Publiziert: 11.02.2021 um 11:41 Uhr
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Aktualisiert: 11.02.2021 um 14:13 Uhr
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Selbst parteiintern umstritten: Ex-Präsident Donald Trump.
Foto: AFP
Fabienne Kinzelmann

Sie war die Partei von Abraham Lincoln. Von Theodore Roosevelt. Von George W. Bush.

Doch keiner ihrer Präsidenten spaltet die Republikaner so sehr wie ihr letzter: Donald Trump (74).

Die 1854 gegründete «Grand Old Party» (GOP) zofft sich hoffnungslos über den Umgang mit dem Ex-Präsidenten, der eine legitime Wahl angezweifelt hat. Der am Dienstag gestartete Impeachment-Prozess verschärft den Konflikt: Prominente Republikaner wie Liz Cheney (54) wollen sich von Trump distanzieren – doch die Mehrheit hält weiter zu ihm.

Trotz bildgewaltiger Beweise für Trumps «Anstiftung zum Aufruhr» beim Kapitol-Sturm am 6. Januar kommt die für eine Verurteilung notwendige Zweidrittelmehrheit im Senat voraussichtlich nicht zusammen.

Nun reicht es den parteiinternen Trump-Gegnern. Weil sich ihre Partei nicht von Trump distanziert, wollen Dutzende ehemals hochrangige Republikaner eine neue Partei gründen. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

«Grosse Teile der Republikanischen Partei radikalisieren sich»

Involviert sind zahlreiche Ex-Funktionäre der Regierungen von Ronald Reagan (1981-89), George H.W. Bush (1989–93), George W. Bush (2001–09) und Trump (2017–21) sowie Ex-Botschafter und Parteistrategen. Mehr als 120 Top-Republikaner diskutierten vergangenen Freitag per Zoom-Videocall, was die Ausrichtung der neuen Partei wäre: Bürgerliche Werte, ein prinzipientreuer Konservatismus, Verfassungstreue und Rechtsstaatlichkeit – Werte, die laut den Beteiligten unter Trump «zunichte gemacht» wurden.

«Grosse Teile der Republikanischen Partei radikalisieren sich und bedrohen die amerikanische Demokratie», sagte der ehemalige CIA-Agent Evan McMullin (44), einer der Organisatoren des Zoom-Calls, zu Reuters. «Die Partei muss sich wieder auf Wahrheit, Vernunft und Gründungsideale besinnen – oder es muss eindeutig etwas Neues her.»

Die Anti-Trump-Partei könnte nicht nur eigene Kandidaten ins Rennen schicken, sondern auch Kandidaten anderer politischer Lager unterstützen, wenn sie ihre Werte teilen – egal, ob es Republikaner, Unabhängige oder Demokraten sind.

Neue Parteien haben es in den USA schwer

Damit würde das konservative Bündnis auch das grösste Problem umgehen, das sich einer neuen Partei im amerikanischen Zweiparteiensystem stellt: Wegen der starken Verankerung der Demokraten und Republikaner, einer relativ homogenen Wählerschaft und dem Mehrheitswahlrecht haben es alternative Parteien schwer, sich zu etablieren.

So konnten sich in den vergangenen Jahrzehnten zum Beispiel auch weder die Grünen noch die Libertären durchsetzen. Im US-Senat sitzen mit dem Ex-Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders (79) aus Vermont und Angus King (76) aus Maine zwei unabhängige Senatoren, die jedoch mit den Demokraten stimmen.

Neue Partei oder Flügel?

Die Zoom-Teilnehmer diskutierten laut Organisator McMullin zudem Möglichkeiten, die Republikaner von innen heraus zu verändern – durch die Gründung einer Art gemässigten «Flügels». Gut 40 Prozent der mehr als 120 Zoom-Teilnehmer würden jedoch die Gründung einer neuen Partei befürworten.

«Es gibt ein viel grösseres Verlangen nach einer neuen politischen Partei da draussen, als ich es je in meinem Leben erlebt habe», sagte ein Teilnehmer zu Reuters. Selbst Namen wurden schon diskutiert: «Integrity Party» (Integritätspartei) oder «Center Right Party» (Mitte-Rechts-Partei).

Das Trump-Lager spottet über die Pläne

«Diese Verlierer verliessen die Republikanische Partei, als sie für Joe Biden stimmten», sagte Jason Miller (45), einer der Sprecher von Ex-Präsident Donald Trump, über die Partei-Gründungspläne.

Allerdings ist noch unklar, wie hochrangige Republikaner auf die Berichte reagieren. Denn ein Grund für die Republikaner, sich nicht von Trump zu distanzieren, ist auch die Angst, dass Trump eine neue Partei gründen und seine treuen Wähler «mitnehmen» könnte. Spalten sich nun gemässigte Republikaner ab, muss die «Grand Old Party» ebenfalls erhebliche Wählerstimmen fürchten.

Wähler kehren Republikanern den Rücken

Wie die «New York Times» berichtet, wenden sich republikanische Wähler bereits in Scharen von der Partei ab. Im Januar haben 140'000 registrierte Republikaner in 25 Staaten (die anderen 19 Staaten erheben keine Parteizugehörigkeit) die Partei verlassen – laut Experten mehr als üblich nach einer Präsidentschaftswahl.

Das Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump befürwortete laut einer «Politico»-Umfrage bereits vorab eine Mehrheit der amerikanischen Wähler – darunter sogar fast ein Fünftel der republikanischen Wähler. Für eine Ämtersperre sprach sich sogar knapp ein Viertel der republikanischen Wähler aus. Gut möglich, dass die Zustimmung angesichts der erdrückenden Beweislast im Impeachment-Verfahren sogar noch zunimmt.

Extremismus-Experte: «Kampf um die Seele der Republikaner»

Unter Donald Trump habe sich die Partei «verwundbar» gemacht, analysierte der Extremismus-Experte Eric Ward kurz nach dem Kapitol-Sturm im «SonntagsBlick»: «Jetzt ist der Moment gekommen, an dem sich die Republikaner entscheiden müssen, ob sie die Partei der Konservativen sein wollen oder die der weissen Nationalisten. Sie können nicht beides sein.»

Der Zoff um den Umgang mit Donald Trump sei «ein Kampf um die Seele der Republikaner». Vielleicht lasse sich die Partei auch nicht mehr retten. «Der Sturm aufs Kapitol war nicht der Beginn eines Bürgerkriegs in Amerika.» Sondern der Beginn des Bürgerkriegs in der Republikanischen Partei.

Demokraten zeigen dramatisches Video der Kapitol-Stürmung
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Impeachment-Prozess:Demokraten zeigen dramatisches Video des Kapitol-Sturms
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