Immobilien-Frust in Italien
Dorf tut sich schwer mit Verkauf von 1-Euro-Häusern

Der Verkauf von Ein-Euro-Häusern in Italien hat in den letzten Jahren weltweit grosses Interesse geweckt. Doch nicht alle Gemeinden werden ihre verlotterten Immobilien los.
Publiziert: 27.03.2024 um 16:05 Uhr
|
Aktualisiert: 08.08.2024 um 09:31 Uhr
1/8
Aus wirtschaftlichen Gründen haben in der Vergangenheit viele Menschen das Dorf Patrica südöstlich von Rom verlassen.
Foto: Comune di Patrica
RMS_Portrait_AUTOR_862.JPG
Georg NopperRedaktor News

Patrica ist ein idyllischer Ort. Das 3000-Seelen-Dorf in der italienischen Provinz Frosinone südöstlich von Rom liegt auf einem felsigen Hügel. Die Einwohner geniessen eine prachtvolle Aussicht auf das Sacco-Tal. Trotzdem: Aus wirtschaftlichen Gründen haben in der Vergangenheit viele den Ort verlassen. Manche sind in den Norden, ins nahe Ausland oder nach Übersee. Zurück blieben ihre Häuser, die teilweise seit Jahrzehnten leer stehen.

Das Problem, langsam zum Geisterdorf zu werden, kennt man auch in anderen italienischen Gemeinden. Einige haben mit Erfolg darauf reagiert, indem sie unbewohnte und vom Zerfall bedrohte Häuser für den symbolischen Preis von einem Euro verkauften. Auch Lucio Fiordaliso, Bürgermeister von Patrica, war von der Idee angetan. Doch von den mehr als 40 verlassenen Immobilien in seinem Dorf konnten bisher erst zwei verkauft werden.

Zustimmung der Eigentümer erforderlich

Während in anderen Dörfern und Städten leerstehende Häuser bei unklaren Besitzverhältnissen nach einer gewissen Zeit von den lokalen Behörden verkauft werden dürfen, ist dies in Patrica nicht der Fall. «Wir brauchen zunächst die Bereitschaft der Eigentümer oder ihrer Erben, ihre alten Häuser zu veräussern», erklärt Fiordaliso gegenüber CNN. «Erst dann können wir diese Immobilien mit ihrer Zustimmung zum Verkauf anbieten, was den Prozess sehr kompliziert macht. Fast unmöglich.»

So lockte Sizilien mit Häuser für einen Euro
1:05
Schnäppchen an Traumlage:So lockte Sizilien mit Häuser für einen Euro

Die Gemeindeverwaltung hat zunächst alle verlassenen Häuser auf einer Karte erfasst und einen öffentlichen Aufruf an die Eigentümer gerichtet, um sie aufzufordern, ihre baufälligen Immobilien abzugeben. Fiordaliso bekam von zehn Eigentümern eine positive Antwort. «Aber es ist uns nur gelungen, zwei Häuser für einen Euro zu verkaufen», bedauert er. Die anderen Eigentümer hätten es sich in letzter Minute doch noch anders überlegt.

Erben sind sich häufig nicht einig

Fiordaliso vermutet den Grund darin, dass die Erben der ursprünglichen Besitzer unterschiedlicher Meinung waren. «Die Veräusserung potenzieller Ein-Euro-Häuser kam ins Stocken, da die meisten Verwandten, die sich ein Grundstück teilen, aus persönlichen Gründen zerstritten waren oder sich nicht über den Verkauf einigen konnten. Einige sprachen kaum miteinander oder kannten sich nicht, andere lebten in weit entfernten Städten oder sogar im Ausland.»

Die einzigen beiden verlassenen Häuser, die Patrica im Rahmen seines Ein-Euro-Programms verkaufen konnte, gehörten vollständig zwei Einheimischen. Somit war keine Kontaktaufnahme zu Cousins vierten Grades oder zu den Ur-Ur-Enkeln der ursprünglichen Besitzer erforderlich.

Schlechter Zustand schreckt ab

Ein weiterer Grund dafür, dass der Verkauf von Ein-Euro-Häusern in Patrica nie richtig in Gang gekommen ist, könnte der Zustand der verlassenen Häuser sein. So beschlossen der aus dem Dorf stammende Gianni Valleco und seine beiden Brüder, das verlassene Haus ihrer Eltern auf den Markt zu bringen. «Uns war bewusst, dass das Haus unserer Eltern nach einem halben Jahrhundert nur noch ein Trümmerhaufen war», sagt Valleco. Trotzdem hätten er und seine Brüder es versuchen wollen. Schliesslich hätten sie jedoch einsehen müssen, dass niemand das Haus jemals kaufen würde – auch nicht für einen Euro.

Auch im Tessin stiess eine Gemeinde auf Schwierigkeiten, alte, zerfallene Gebäude für einen symbolischen Preis zu verkaufen. Gambarogno bot 2019 mehrere entlegene Rustici oberhalb von Indemini zum Preis von je einem Stutz an. Mehrere Jahre lang fand die Gemeinde keinen einzigen Käufer. Der Grund: Die Rustici sind zu weit abgelegen und nur zu Fuss erreichbar – bis zur nächsten Strasse braucht man mehr als 45 Minuten. Zudem gab es zu viele offene Fragen. Unter anderem war unklar, ob für den Wiederaufbau der Rustici überhaupt eine Baubewilligung zu bekommen war.

Bürgermeister Fiordaliso aus Patrica gibt die Hoffnung nicht auf, seinem Dorf neues Leben einhauchen zu können. Einerseits versucht er weiterhin, die Erben der leerstehenden Häuser von einem Verkauf zu überzeugen. Andererseits finanziert die Gemeinde die Renovierung der Fassaden von alten Gebäuden und gewährt Neuzuzüglern und Gewerblern, die in Patrica ein Geschäft eröffnen, Steuervorteile.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?