In Ungarn formiert sich gegen Viktor Orban (58) eine geballte Opposition. Um den langjährigen Ministerpräsidenten zu stürzen, haben sich sechs Parteien – von Mitte links bis zur rechtsextremen Jobbik – zum Bündnis «Mindenki Magyarorszaga Mozgalom» (Ungarn gehört jedem) zusammengeschlossen. Sie steigen für die Parlamentswahlen im April 2022 mit ihrem Spitzenkandidaten Peter Marki-Zay (49) ins Rennen.
Blick sprach mit Peter Marki-Zay per Videoschaltung über seine Wut über Orban und dessen Partei Fidesz, seine Chancen und seine Pläne.
Wie gross sind überhaupt Ihre Chancen, Viktor Orban zu verdrängen?
Peter Marki-Zay: Ich kann mich nur auf Analysen stützen. In den jüngsten Auswertungen ist meine Chance auf einen Wahlsieg von 30 auf 40 Prozent und Orbans Chance auf eine Niederlage von 20 auf 40 Prozent gestiegen.
Was würde sich unter Ihnen in Ungarn ändern?
Sehr viel! Das Wichtigste: Ich würde die Korruption bekämpfen, mit der sich Orban bereichert.
Was werfen Sie ihm denn vor?
Zwei Beispiele: Er hat 20’000 Migranten ins Land einreisen lassen, die aber enorm viel bezahlen mussten. Auch hat die Regierung für Vakzine und Beatmungsgeräte viel mehr bezahlt als andere Staaten. Hier ist sehr viel Geld in einige wenige private Taschen geflossen. Orban ist ein korrupter Anführer eines autoritären Regimes, der für sich schaut, nicht für den Staat. Das führt zu grossen Problemen.
Wie leidet Ungarn unter Orbans Regime?
Wir zählen im Verhältnis zur Bevölkerung die meisten Corona-Toten in Europa, haben weder ein gutes Bildungs- noch Gesundheitssystem und auch keine wirtschaftliche Entwicklung. Alles wegen der Korruption.
Ungarn wurde in den vergangenen Jahren wegen seiner harten Flüchtlingspolitik kritisiert. Was würden Sie in diesem Bereich ändern?
Ich würde zwar den von Orban errichteten Grenzzaun stehen lassen und ebenfalls gegen illegale Migration vorgehen. Ich würde aber im Gegensatz zu ihm Kriminelle ausschaffen und verhindern, dass Terroristen ins Land kommen. Orbans Fidesz lässt alle rein, sofern sie bezahlen. Bei mir gäbe es menschliche Bedingungen und keine Hasskampagnen mehr.
Schlagzeilen machte Ungarn auch mit einem Gesetz, das in Brüssel als homophob bezeichnet wird und Entrüstung auslöste. Welche Gesetze würden Sie rückgängig machen?
Das homophobe Gesetz ist nichts anderes als ein Propagandainstrument. Ich würde es sofort abschaffen. Auch die Monopolisierung von ganzen Industriezweigen, etwa der Tabakindustrie, würde ich rückgängig machen.
Wie stark beeinflusst Orban tatsächlich die Medien?
Bei den meisten Medien hat er grossen Einfluss. Die Opposition bekam in vier Jahren nur gerade fünf Minuten Sendezeit. Auch mir geben sie keine Auftrittsmöglichkeit, während die Fidesz ständig in den Medien erscheint. Ungarn braucht wieder eine Medienfreiheit!
Ungarn gilt zurzeit als das Sorgenkind der EU. Wie sähe Ihre Zusammenarbeit mit Brüssel aus?
Wir wollen wieder ein loyales Mitglied sein und zeigen, dass wir dazugehören. Das Gleiche gilt für die Nato: Orban hat vergessen, dass Ungarn Mitglied ist, als er mit den Chinesen Deals abschloss.
Waren Sie schon in der Schweiz?
Nur wenige Male und jeweils nur sehr kurz. Ich kenne aber einige Ungarn, die in der Schweiz arbeiten. Leider hat es Orban verpasst, in Ungarn Grundlagen für einen guten Arbeitsmarkt zu schaffen, sodass viele im Ausland eine Stelle suchen. Als Ministerpräsident möchte ich die Arbeitsbedingungen hier verbessern.
Würden Sie die in den vergangenen Monaten verstärkte Zusammenarbeit zwischen Ungarn und der Schweiz weiter ausbauen?
Die Schweiz ist zwar ein sehr schönes Land, aber im Moment habe ich für Ihr Land noch keine Pläne.
Sie werden dafür kritisiert, dass im Bündnis, das Sie unterstützt, auch die rechtsextreme Jobbik vertreten ist. Wie können Sie das verantworten?
Es hat bei verschiedenen Parteien Leute dabei, die mir nicht passen. Um die Fidesz zu bekämpfen, braucht es aber alle. Es ist die einzige Möglichkeit, Ungarn zurück in die Unabhängigkeit und in die Freiheit zu führen. Sonst wird Orban immer an der Macht bleiben.