«Ihr Mann wird gefoltert und es ist Ihre Schuld!»
Russische Agenten erpressen Familien ukrainischer Gefangener

Mehr als zwei Jahre ist ihr Mann Dima in russischer Gefangenschaft. In dieser Zeit wird Switlana von russischen Agenten zu Sabotageakten gedrängt – ihr Mann werde sonst getötet. Trotz der Drohungen bleibt sie standhaft und arbeitet mit den Behörden zusammen.
Publiziert: 14.01.2025 um 13:54 Uhr
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Aktualisiert: 14.01.2025 um 15:54 Uhr
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50 Prozent aller Familien von Kriegsgefangenen werden von russischen Agenten kontaktiert.
Foto: IMAGO/NurPhoto

Auf einen Blick

  • Frau von Kriegsgefangenem wird von russischem Agenten kontaktiert und erpresst
  • Switlana sollte Anschlag verüben, um Ehemann freizubekommen
  • 50 Prozent der Familien von Kriegsgefangenen werden von russischen Agenten kontaktiert
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Daniel MacherRedaktor News

«Als hätte ich meinen Liebsten dem Tod entrissen.» So beschreibt Switlana ihr Gefühl, als sie ihren Ehemann Dima nach all der Zeit wieder in die Arme schliesst. «Es gab Freudentränen wie nie zuvor.» Auch ihr vierjähriger Sohn Vova freute sich über die Rückkehr seines Vaters.

Doch bis dahin war es ein langer Leidensweg – für beide Seiten, wie Switlana der britischen BBC erzählt. Dima, einst als Sanitär in der Ukraine tätig, war für mehr als zwei Jahre in russischer Gefangenschaft. Kontakt zu seiner Ehefrau Switlana hatte er in dieser Zeit nicht. Die 42-Jährige wünschte sich nichts mehr als eine Nachricht von ihrem Mann. Ein Lebenszeichen, einen Beweis, dass Dima noch lebt.

Drohungen und falsche Versprechen

Eines Tages klingelte das Telefon. «Ich wurde von einer ukrainischen Nummer angerufen. Ich nahm ab und der Mann stellte sich als Dimitri vor», erklärt Switlana. «Er sprach mit russischem Akzent.» Dimitri behauptete, er könne die Haftbedingungen für Dima verbessern. Auch eine vorzeitige Entlassung wäre möglich.

Unter einer Bedingung: «Sie können entweder ein Militärregistrierungsbüro niederbrennen, ein Militärfahrzeug in Brand stecken oder einen Stromkasten der ukrainischen Eisenbahn sabotieren», so der Mann am anderen Ende der Leitung. Soll heissen: Switlana soll einen Anschlag in ihrem Land begehen, die Ukraine sabotieren.

«Mein Mann hätte mir nie verziehen»

«Nicht eine Sekunde lang» habe sie darüber nachgedacht, erzählt Switlana in ihrer Wohnung in der Nähe von Kiew der BBC. «Mein Mann hätte mir nie verziehen.» Stattdessen zeichnete sie alle weiteren Gespräche mit Dimitri auf, nahm Kontakt mit den ukrainischen Behörden auf. Diese hatten die Bevölkerung vor russischen Agenten gewarnt.

Also gab Switlana vor, mit dem Brandbombenanschlag auf eine örtliche Eisenbahnlinie einverstanden zu sein. Anweisungen über Telegram folgten prompt: «Giessen Sie einen Liter Brennspiritus hinein und geben Sie etwas Benzin hinzu», erklärte Dimitri. Beim Anschlag solle sie einen Hut tragen – «nur für den Fall».

«Er sagte, sie würden meinen Mann töten»

Als der ukrainische Sicherheitsdienst SBU Switlana schliesslich anwies, den Kontakt abzubrechen, begannen die Drohungen: «Er sagte, sie würden meinen Mann töten und ich würde ihn nie wiedersehen.» Tagelang rief er immer wieder an: «Ihr Mann wird gefoltert und es ist Ihre Schuld!»

Petro Jazenko vom Hauptquartier für die Behandlung von Kriegsgefangenen des ukrainischen Militärs sagt, dass etwa 50 Prozent aller Familien von Kriegsgefangenen von russischen Agenten kontaktiert werden. «Sie sind in einer sehr verletzlichen Lage und manche von ihnen sind bereit, alles zu tun», sagt Petro, «aber wir versuchen ihnen klarzumachen, dass es nicht hilft».

Für Switlana war das nur ein schwacher Trost. Was, wenn Dima doch gefoltert würde, geschweige denn getötet? «Wie könnte ich dann mit mir selbst leben?» Als Dima aus der Gefangenschaft zurückkehrte, konnte er seine Frau beruhigen. Die Russen hatten ihre Drohungen nicht wahr gemacht.

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