Mitten im Unterricht knallte es. Ein Sechsjähriger richtete die Waffe auf seine Primarlehrerin Abigail Z.* (25) und drückte ab. Dabei fügte der Schüler der jungen Frau lebensbedrohliche Verletzungen zu. Passiert ist die Tragödie, bei der es sich der Polizei zufolge um keinen Unfall handelte, im Januar dieses Jahres an einer Grundschule in der Stadt Newport News im US-Bundesstaat Virginia.
In einem Interview mit dem US-Fernsehsender NBC News spricht die Lehrerin nun zum ersten Mal über die Tat. Sie stehe nach mehreren Operationen immer noch vor «Hindernissen und Herausforderungen», so Z. «Es gibt Tage, an denen ich nicht aus dem Bett aufstehen kann», so die Lehrerin.
Der Schuss hätte sie töten können
Sie erinnere sich noch haargenau an den Ausdruck im Gesicht des Schülers, kurz bevor er abdrückte. Ärzten zufolge hat sie Glück im Unglück gehabt – der Schuss hätte sie nämlich töten können. «Der Schuss ging durch meine linke Hand und brach den Mittelknochen sowie den Zeigefinger und den Daumen. Danach ging er in meine Brust», sagte die Lehrerin im Interview. Dass der Schuss zuerst durch ihre Hand ging, hätte ihr das Leben gerettet. Ob ihre Hand jemals wieder vollumfänglich funktionsfähig sein wird, können die Ärzte zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.
Obwohl es langsam, aber sicher bergauf gehe, sei sie nach wie vor körperlich und geistig erschöpft. Trotzdem: «Die körperlichen Narben heilen.» Auch die Wunde an der Seite ihres Körpers, wo Ärzte eine Thoraxdrainage legen mussten, nachdem ihre Lunge kollabiert war, sei auf dem Weg zur Besserung.
Trotz des schrecklichen Vorfalls hat Z. den Mut nicht verloren: «Ich versuche, positiv zu bleiben.» Dennoch verfolge sie die Tat noch jeden Tag. Zudem werde sie regelmässig von Albträumen geplagt. «Ich bin mir nicht sicher, ob der Schock jemals vergehen wird. Ich denke täglich daran.»
Jetzt will die Lehrerin die Schule verklagen
Da die Schulleitung in einigen Punkten versagt hätte, will Z. die Verantwortlichen nun verklagen. Z.s Anwältin ist überzeugt, dass die Tragödie hätte verhindert werden können: «Ich kann Ihnen sagen, dass es in diesem Fall Versäumnisse auf mehreren Ebenen gab.»
Z. und mehrere ihrer Kollegen hätten die Aufsichtsbehörde der Richneck Elementary School in Newport News dreimal gewarnt, dass der Sechsjährige andere bedrohe und eine Waffe bei sich haben könnte, so die Anwältin weiter. Am Morgen der Tat selbst hatte die betroffene Lehrerin gar die Schulbehörde verständigt, dass der sechsjährige Schüler damit gedroht habe, ein anderes Kind zu verprügeln. Die Behörde schien das aber nicht zu kümmern.
Eine Stunde später sei die Aufsichtsbehörde von einer anderen Lehrerin informiert worden, dass der betreffende Junge offenbar eine Waffe mit in die Schule gebracht habe. Sie habe die Waffe allerdings nicht in der Schultasche des Jungen finden können. Schliesslich meldete eine dritte Lehrkraft, dass ein Schüler weinend berichtet habe, dass er die Waffe gesehen habe und damit bedroht worden sei.
Dennoch wurden laut Z.'s Anwältin keine Massnahmen ergriffen. «Tragischerweise wurde die Richneck Elementary School eine Stunde später von Gewalt getroffen», sagte die Anwältin. (dzc/AFP)
* Name bekannt