Acht Todesopfer und acht Verletzte forderte eine Amoktat bei einer Zusammenkunft der Zeugen Jehovas. Die Bluttat ereignete sich am Donnerstagabend in Hamburg (D). Unter den Toten befindet sich auch der Todesschütze Philipp F.* (†35), der sich nach der Tat selbst richtete.
Hamburgs Innensenator Andy Grote (54) zeigte sich erschüttert: «Eine Amoktat dieser Dimension – das kannten wir bislang nicht. Das ist die schlimmste Straftat, das schlimmste Verbrechen in der jüngeren Geschichte unserer Stadt.»
Ungeborenes Kind unter den Opfern
Die tödlichen Schüsse fielen gegen 21 Uhr während einer Veranstaltung im Gebäude der Zeugen Jehovas im Hamburger Stadtteil Alsterdorf. Das führte zu einem Grosseinsatz: 953 Polizistinnen und Polizisten waren involviert. Bis in den Vormittag waren die Ermittler zur Spurensuche am Tatort unterwegs.
Zwei Männer und vier Frauen im Alter von 33 bis 60 Jahren sowie ein weiblicher Fötus im Alter von sieben Monaten wurden von F. getötet. Alle Todesopfer waren deutsche Staatsangehörige.
Die alarmierten Einsatzkräfte waren binnen Minuten vor Ort. Um 21.04 Uhr seien die ersten Notrufe eingegangen. «Um 21.08 Uhr waren erste Kräfte vor Ort», sagte Grote an einer Medienkonferenz am Freitag.
Der Amoktäter hatte 135 Mal geschossen. Die Einsatzkräfte konnten die Amoktat unterbrechen. Innensenator Grote: «Wir haben es mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit dem sehr, sehr schnellen und entschlossenen Eingreifen der Einsatzkräfte der Polizei zu verdanken, dass hier nicht noch mehr Opfer zu beklagen sind.»
Anonymer Hinweis vor der Tat
Philipp F. ist ein ehemaliges Mitglied der Hamburger Gemeinde der Zeugen Jehovas und hat diese vor eineinhalb Jahren freiwillig, aber offenbar nicht im Guten verlassen. F. war religiös. Er publizierte im Netz Texte über seine Ansichten zu Gott und Satan. Unter anderem schrieb er, dass Jesus ein «Heilmittel für Sorgen» sei. Er sei der Schlüssel, um «in jedem Aspekt des Lebens zu wachsen».
Er wuchs in Kempten im Allgäu (D) auf und machte eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei einer deutschen Privatbank. Dann studierte er Betriebswirtschaftslehre.
Der Deutsche war Sportschütze. Als Extremist war er allerdings nicht bekannt. Seit dem 12. Dezember sei er im legalen Besitz einer halbautomatischen Pistole gewesen, sagte Polizeipräsident Ralf Martin Meyer (63). Dabei handle es sich um die Tatwaffe.
Die Waffenbehörde erhielt im Januar einen anonymen Hinweis auf eine mögliche psychische Erkrankung von Philipp F. Laut dem unbekannten Schreiber sei die psychische Erkrankung von F. möglicherweise ärztlich nicht diagnostiziert, da sich F. nicht in ärztliche Behandlung begebe. F. habe laut dem Schreiben eine besondere Wut auf religiöse Anhänger gehegt, besonders auf die Zeugen Jehovas und seinen ehemaligen Arbeitgeber.
Die Beamten der Waffenbehörde hätten nach dem Hinweis weiter recherchiert. Anfang Februar sei F. von zwei Beamten der Waffenbehörde unangekündigt aufgesucht worden. Dies sei eine Standardkontrolle gewesen, die nach einem anonymen Hinweis erfolge. F. habe sich kooperativ gezeigt, sagte Meyer. Es habe keine relevanten Beanstandungen gegeben. Die rechtlichen Möglichkeiten seien damit ausgeschöpft gewesen.
Viel Munition zu Hause gebunkert
Nach den Schüssen fand die Polizei laut Staatsanwaltschaft in der Wohnung des mutmasslichen Täters auch eine grössere Menge Munition: 15 geladene Magazine mit jeweils 15 Patronen und vier Schachteln Munition mit weiteren 200 Patronen. Ausserdem wurden Laptops und Smartphones sichergestellt, die noch ausgewertet würden.
Mögliche Konflikte innerhalb der Glaubensgemeinschaft schliessen die Ermittler nicht aus. Polizeipräsident Meyer sagte, es gebe Hinweise auf einen Streit «möglicherweise aus dem Bereich der Zeugen Jehovas». Das müsse nun geprüft werden.
* Name bekannt
Diese Stellen sind rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da:
- Beratungstelefon der Dargebotenen Hand: Telefon 143 www.143.ch
- Beratungstelefon von Pro Juventute (für Kinder und Jugendliche): Telefon 147 www.147.ch
- Weitere Adressen und Informationen: www.reden-kann-retten.ch
Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben
- Refugium – Verein für Hinterbliebene nach Suizid: www.verein-refugium.ch
- Nebelmeer – Perspektiven nach dem Suizid eines Elternteils: www.nebelmeer.net
Diese Stellen sind rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da:
- Beratungstelefon der Dargebotenen Hand: Telefon 143 www.143.ch
- Beratungstelefon von Pro Juventute (für Kinder und Jugendliche): Telefon 147 www.147.ch
- Weitere Adressen und Informationen: www.reden-kann-retten.ch
Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben
- Refugium – Verein für Hinterbliebene nach Suizid: www.verein-refugium.ch
- Nebelmeer – Perspektiven nach dem Suizid eines Elternteils: www.nebelmeer.net