Auf einen Blick
- Russland will Kinderlosigkeit verbieten, um Geburtenrate zu steigern
- Kritik: Gesetz schränkt Frauenrechte und Entscheidungsfreiheit stark ein
- Hohe Geldstrafen bis zu 45'000 Franken für Verstösse
Russland hat diese Woche in seinem Kampf gegen den Westen und dessen Werte ein neues Ziel ins Visier genommen: Frauen, die keine Kinder haben wollen. Der Kreml und seine Verbündeten sehen darin eine «Ideologie», die die Grundfesten des Landes bedroht, berichtet «NBC News».
Abgeordnete haben ein Verbot der «Propaganda für den bewussten Verzicht auf Kinder» vorgeschlagen, wie der Sprecher des Unterhauses des Parlaments und Putin-Verbündete Wjatscheslaw Wolodin auf Telegram mitteilte. Damit soll der demografischen Belastung durch sinkende Geburtenraten entgegengewirkt werden, die durch den Krieg in der Ukraine noch verschärft wird.
Es drohen hohe Geldstrafen
Das Gesetz soll die Förderung der «Ideologie der Kinderlosigkeit» und der «Childfree-Bewegung» im Internet, in den Medien, in Filmen und sogar in der Werbung bekämpfen. Laut SRF soll die Bewegung namens «Childfree» aber gar nicht existieren. Trotzdem sieht die russische Regierung hohe Geldstrafen von umgerechnet bis zu 3600 Franken für Einzelpersonen und mehr als 45'000 Franken für juristische Personen vor. «Eine eng verbundene und grosse Familie ist die Grundlage eines starken Staates», so Wolodin.
Es ist unklar, wie dieses Gesetz genau durchgesetzt werden soll. Die vorgeschlagene Gesetzgebung erinnert an das Verbot von «LGBT+-Progaganda», welches der russischen Bevölkerung verbietet, in der Öffentlichkeit über die Rechte von queeren Menschen zu sprechen. Möglich wäre, dass das «Childfree-Verbot» ähnlich aussehen könnte.
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Kreml verteidigt «Familienwerte»
Der Gesetzesentwurf erntet Kritik: Die russische Anwältin und Frauenrechtsexpertin Dariana Grjasnowa sieht ihn «äusserst negativ». Die Rechte der Frauen und die Entscheidungsfreiheit würden so eingeschränkt.
Seit dem Einmarsch in die Ukraine hat Russland seinen Kampf gegen die seiner Ansicht nach perversen persönlichen Freiheiten des Westens verstärkt – in Bezug auf die sexuelle Identität, die Geschlechtsidentität und nun auch die Frage, ob man Kinder haben möchte. Der Kreml sagt, dass er im Gegensatz zum «dekadenten» Westen die sogenannten «Familienwerte» hochhält.
Gesetz ist «gefährlich für alle»
Präsident Wladimir Putin (71) erklärte 2024 offiziell zum «Jahr der Familie». Daten des Statistikdienstes Rosstat zeigen jedoch, dass die Geburtenrate auf den niedrigsten Stand seit einem Vierteljahrhundert gesunken ist, während das Land an der Front junge Männer verliert.
Kritikerinnen befürchten, dass das geplante Gesetz gegen russische Feministinnen eingesetzt wird, die sich offen gegen den Krieg in der Ukraine und Putins Regime ausgesprochen haben. Es sei «gefährlich für alle», so die Anwältin Grjasnowa, weil es so vage formuliert ist. «Sie versuchen zu festigen, dass sich die Rolle der Frau ausschliesslich auf das Gebären von Kindern beschränkt. Und das ist ein weiterer Beweis dafür.»