Hisbollah beschiesst Israel vom Libanon aus
Es droht der Mehrfrontenkrieg im Nahen Osten

Israel befindet sich im Krieg. Überraschend haben islamistische Hamas-Kämpfer das Land angegriffen. Nun droht der Konflikt noch an einer zweiten Front zu eskalieren.
Publiziert: 08.10.2023 um 16:31 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2023 um 19:53 Uhr
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Israel befindet sich seit Samstagmorgen im Krieg.
Foto: keystone-sda.ch
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Diesmal ist alles anders. Der aktuelle Angriff der Hamas auf Israel übertrifft bereits jetzt alle bisherigen Auseinandersetzungen – sei das in Umfang oder Brutalität. Die radikale Palästinenserorganisation scheint alles auf eine Karte setzen zu wollen.

Nicht nur vom Gazastreifen her, sondern auch aus dem Libanon regnet es Raketen auf Israel. Am frühen Sonntagmorgen hat sich die im Libanon ansässige islamistische Terrororganisation Hisbollah zum Angriff bekannt. Die Gruppierung unterstützt offensichtlich das Vorhaben der Hamas.

Auch Hamas-Politbürochef Ismail Hanijeh kündigt Bedrohliches an: «Dieser Sturm, der vom Gazastreifen ausging, wird sich auf das Westjordanland und alle Orte ausserhalb des Landes ausbreiten, an denen sich Angehörige unseres Volkes und unserer Nation aufhalten.» Im Nahen Osten sind die ersten Funken eines grossen Flächenbrands entfacht worden. Droht Israel ein Krieg an mehreren Fronten?

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Hisbollah nutzen Überraschungsmoment

Michel Wyss ist Militärexperte an der Militärakademie der ETH Zürich. Im Gespräch mit Blick vermutet er, dass sich die Situation voraussichtlich nicht in den Norden ausweiten wird. «Israel wird sich auf den Gazastreifen fokussieren, insbesondere aufgrund der dorthin entführten israelischen Zivilisten und Soldaten. Zugleich haben die israelischen Streitkräfte ihre Präsenz im Norden verstärkt, um die Hisbollah abzuschrecken.» Das Raketen- und Mörserfeuer der Hisbollah vom frühen Sonntagmorgen habe laut Wyss vor allem symbolischen Charakter, beziehungsweise sei laut deren eigenen Angaben ein «Zeichen der Solidarität» mit der Hamas.

Israelische Sicherheitskreise hatten seit geraumer Zeit ein solches Angriffsszenario wie am Samstag befürchtet, allerdings durch die libanesische Hisbollah im Norden des Landes. Die selbsternannte Partei Gottes gilt als schlagkräftiger als die Hamas. «Im Vergleich zur Hamas verfügt die Hisbollah über mehr Kampferfahrung. Sie weist auch ein viel grösseres Raketenarsenal auf und ist generell noch besser ausgerüstet als die Gruppierungen im Gazastreifen», erklärt Wyss. 

Der Militärhistoriker Carlo Masala von der Bundeswehr-Universität in München sieht die Gefahr einer Ausweitung des Kriegs. Dabei befände sich Israel in einer Zwickmühle, so Masala zu «Bild». «Angesichts der Schwere der terroristischen Anschläge kann die israelische Antwort eigentlich nur die vollständige Vernichtung der Hamas sein. Je erfolgreicher Israel dabei sein wird, desto mehr ist nicht auszuschliessen, dass die Hisbollah ihren Terrorfreunden zu Hilfe eilt.»

Ob die Hisbollah aber tatsächlich weitere Angriffe auf Israel riskieren wird, ist derzeit unklar. ETH-Experte Wyss zu Blick: «Der Hisbollah dürfte bewusst sein, dass das Überraschungsmoment nicht mehr länger besteht. Israel hatte in den vergangenen Jahren zudem wiederholt gewarnt, dass ein Hisbollah-Angriff verheerende Konsequenzen für den ganzen Libanon haben werde.»

Iran reagiert positiv auf Hamas-Angriff, Saudi-Arabien gibt Israel Teilschuld

Fakt ist: Der überraschende Angriff der militanten Palästinenser kommt in der arabischen Welt gut an. Lobende Töne für die Angriffe kamen allen voran und wie zu erwarten aus Iran. Ein iranischer Militärberater sprach von einem «stolzen Einsatz» der Hamas. Die Huthi-Rebellen im Bürgerkriegsland Jemen erklärten ihre Unterstützung für die «heldenhafte dschihadistische Operation».

Das saudi-arabische Aussenministerium erklärte im Zuge der jüngsten Entwicklungen, das Königreich fordere einen «sofortigen Stopp der Eskalation zwischen beiden Seiten». Und weiter: «Das Königreich erinnert an seine wiederholten Warnungen vor den Gefahren einer explosiven Situation infolge der anhaltenden Besatzung und des Entzugs der legitimen Rechte des palästinensischen Volks.»

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