Eine «Mauer aus Eisen, Sensoren und Beton». So beschrieb der damalige Verteidigungsminister Benny Gantz das Grenzsystem bei der Einweihung seiner jüngsten Erneuerung vor rund zwei Jahren. Auf Youtube zeigte der israelische Technologiekonzern Elbit, was das System «Torch-X Borders» angeblich alles kann. In der Theorie schien alles zu funktionieren, in der Praxis sah es anders aus.
Doch wie funktioniert die Hightech-Verteidigung? Tag und Nacht wird das Gelände von Beobachtungstürmen aus mit Kameras und Radar überwacht. Aus der Luft beobachten Aufklärungsdrohnen, im Gelände sind mit Sensoren ausgestattete Fahrzeuge unterwegs. Die moderne Ausrüstung ermöglicht es, die Kommunikation des Gegners abzuhören. All diese Informationen werden in einer Kommandozentrale zusammengeführt und beraten, in welcher Reihenfolge welche möglichen Bedrohungen bekämpft werden sollen. Anschliessend werden – zumindest theoretisch – Bodentruppen an den Ort einer möglichen Grenzverletzung entsandt.
Angreifer kamen vom Meer, aus der Luft, über Land
Das vergangene Wochenende hat gezeigt, dass auch hoch entwickelte Technik allein nicht viel ausrichten kann – wenn keine Bodentruppen eingesetzt werden. Für den Tod von mindestens 700 Menschen in Israel und mehr als 100 Entführten soll offenbar der Grenzzaun verantwortlich sein, wie der «Spiegel» berichtet. Denn die Grenzsicherung habe nicht wie geplant funktioniert. «Es ist schockierend, dass so viele Lücken offengelassen wurden, personell und technisch», sagte der Politikwissenschaftler Frank Sauer dem Magazin.
Dabei scheint die Grenze unüberwindbar: In der Luft sorgt das Raketenabwehrsystem Iron Dome für Sicherheit. Der Grenzzaun verläuft nicht nur oberirdisch, sondern soll zudem unterirdisch den Tunnelbau verhindern. Doch gegen die Angreifer war die Anlage nicht gewappnet: Mit Planierraupen, Pickups und Motorrädern machten die Hamas-Kämpfer den Zaun platt, mit Drohnen zerstörten sie die Überwachungstechnik. Dann kamen sie mit Motorbooten und motorisierten Gleitschirmen.
Sauer weiss, warum das Grenzsystem so leicht zu umgehen war: «Sicherheitslösungen allein auf technischer Basis basieren oft auf der Annahme, dass der Gegner nicht mitdenkt und sich darauf einstellt. Das ist ein Problem. Langsam und niedrig fliegende Angreifer mit Gleitschirmen zum Beispiel konnten die Sensoren offenbar austricksen, ein Mensch mit einem Fernglas hätte das sofort geschnallt.»
Vorläufig wird die durchbrochene Verteidigungsanlage nicht mit hoch modernisierter Technik geschützt, sondern mit Panzern, so der «Spiegel». In der Zwischenzeit bleibt dennoch die Frage offen, warum die teure Anlage versagte, wie es zum Massaker kommen konnte und warum die teure Technik Israel nicht schützen konnte. (gs)