Die Option der CO₂-Kompensation gibt vielen, die fliegen, ein gutes Gewissen. Wer beim Kauf des Fluges ein Häkchen setzt und ein wenig extra zahlt, denkt oft, er würde dem Klima etwas Gutes tun. Doch stimmt das?
Ausgerechnet Scott Kirby (55), CEO der United Airlines, kritisiert das Ausgleichssystem nun harsch. Für ihn sei es klarer Betrug. Denn: Oft würden die Kompensationsgelder eher dem Image der Fluggesellschaften, als dem Klima dienen.
«Die Mehrheit der Projekte ist Betrug»
«Das Problem ist, dass die meisten Firmen sagen, sie pflanzen Bäume. Oder sie verhindern, dass Bäume gefällt werden. Aber die Realität ist, dass es sich bei der überwiegenden Mehrheit dieser Projekte offen gesagt um Betrug handelt», so Kirby zu Politico. Demnach würde es sich «entweder um Wälder handeln, die sowieso nicht abgeholzt, oder um Bäume, die eh gepflanzt werden sollten».
Ebenso problematisch findet der CEO, dass Firmen anschliessend sagen, sie hätten ihren Job getan und sie seien Netto-Null. «Sie haben ihren Teil nicht getan und es ist falsch», schimpft er.
«Wir nennen uns 100 Prozent grün»
Kirbys eigene Fluglinie, die United Airlines, würde daher einen anderen Weg einschlagen: «Wir nennen uns 100 Prozent grün. Das ist etwas anderes als Netto-Null». Anstatt auf CO₂-Kompensation setzt Kirby auf nachhaltige Technologien und Treibstoffe. Zudem befürwortet er eine CO₂-Steuer und sagt: «Ich denke, nur so können wir den Klimawandel tatsächlich lösen.»
Privat scheint Kirby das Klima hingegen weniger am Herzen zu liegen. Denn: Er selbst jettet mit dem Privatflieger durch die Luft.
Klimaexperte ordnet ein
Auf Anfrage von Blick bestätigt WWF Schweiz, dass hinter Kompensationsmodellen viel Greenwashing steckt. WWF-Klimaexperte Patrick Hofstetter sagt: «Es wird mehr versprochen, als eingehalten werden kann. Während CO₂ aus dem Verbrennen von fossilem Kerosen über 1000 Jahre in der Atmosphäre verbleibt, können Wald-Projekte oft nur für wenige Jahrzehnte garantieren, dass das CO₂ gebunden wird.»
Auch sagt er, dass viel gepfuscht wird, um günstig an Klimazertifikate zu kommen: «Fluggesellschaften und andere CO₂-intensive Unternehmen suchen nach den billigsten Zertifikaten und finden diese meist in Waldprojekten». Untersuchungen hätten aber gezeigt, dass diese die CO₂-Absorption oft um das Zehnfache überschätzen.
Es geht auch anders
Dennoch gibt es Projekte, die «die Abholzung von Wäldern grossflächig verhindern oder erfolgreich langfristige Aufforstungen realisieren», so Hofstetter. Diese seien «tatsächlich wichtig für den Klimaschutz».
Hinzu kommt: Es wird nicht nur in Waldprojekte investiert. «Die Lufthansa-Gruppe ermöglicht ihren Fluggästen, das fossile Kerosen durch CO₂-ärmere Alternativen zu ersetzen. Das kostet ein Vielfaches mehr als irgendwelche Waldzertifikate und hätte das Potential, die Emissionen an der Quelle zu reduzieren», so der Experte.
Langfristig braucht es aber mehr. «Es muss Verantwortung übernommen werden», sagt Hofstetter. Konkret bedeutet das, dass «in Klimaschadenskosten investiert werden muss – sowohl im In- als auch Ausland».