Marokko feiert seine WM-Helden auf den Strassen
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Historischer Halbfinal-Einzug:Marokko feiert seine WM-Helden auf den Strassen

Halbfinal wird zur Zerreissprobe
Frankreich fürchtet sich vor Eskalation nach Marokko-Match

In Paris kam es nach dem WM-Sieg der marokkanischen Nationalmannschaft gegen Portugal zu Ausschreitungen. Das Halbfinal-Duell zwischen «Les Bleus» und den «Atlas Löwen» stellt Frankreich vor eine Zerreissprobe. Die Furcht vor einer Eskalation am Mittwoch wächst.
Publiziert: 14.12.2022 um 10:47 Uhr
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Aktualisiert: 14.12.2022 um 12:14 Uhr
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Polizisten stehen an der Avenue Champs-Élysees in Paris und beobachten marokkanische Fussballfans beim Feiern.
Foto: keystone-sda.ch
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Marian NadlerRedaktor News

Fussballmatches sind eine emotionale Sache. In der französischen Hauptstadt Paris wurden in diesen Wochen nicht nur die Siege der «Équipe Tricolore» gefeiert, auch nach den Erfolgen der «Atlas Löwen» aus Marokko waren auf vielen Strassen jubelnde Fans unterwegs. Die Sieger im Halbfinal zwischen Frankreich und Marokko könnten am Mittwochabend deshalb besonders gefühlsgeladen gefeiert werden.

Genau hier kommen aber noch andere Emotionen ins Spiel. Während die Sieger sich freuen, macht sich bei den Verlierern oft Frust breit. Muss sich Frankreich auf gewalttätige Auseinandersetzungen nach dem WM-Halbfinal gefasst machen?

Franko-marrokanisches Verhältnis vor Zerreissprobe

Das Verhältnis zwischen Marokkanern und Franzosen gilt eigentlich als entspannt. Die Marokkaner, die 1956 ohne Blutvergiessen ihre Unabhängigkeit erreichten, stehen der früheren Kolonialmacht bisweilen auch selbstbewusst gegenüber.

Immerhin 1,5 Millionen von ihnen leben in Frankreich, oft schon in dritter und vierter Generation. Sie sind fest integriert, arbeiten als Buschauffeure oder Zahnärzte. Manche haben es weit gebracht, wie die frühere Ministerin Najat Vallaud-Belkacem (45), der Schriftsteller Tahar Ben Jelloun (78) oder die Generaldirektorin der Unesco, Audrey Azoulay (50).

Gewaltexzess auf den Champs-Élysees

Die andere Seite zeigte sich zuletzt unter anderem auf den Champs-Élysees, wo marokkanische Fans nach dem Viertelfinal Polizisten angegriffen haben sollen. Dabei sammelten sich die Randalierer ihre Wurfgeschosse unter anderem aus einer Baustelle zusammen.

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Noch übler eskalierte die Situation in Mailand, wie die «Gazzetta dello Sport» berichtete. Ein 30-Jähriger, der versuchte, einen Streit unter Feiernden zu schlichten, wurde in der norditalienischen Metropole Opfer einer Messerattacke. Der schwer verletzte Mann soll noch in Lebensgefahr schweben.

Im Match am Mittwoch steckt also eine Menge Zündstoff. Bei der französischen Polizei laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. In ganz Frankreich wurden 10'000 Beamte mobilisiert. Das teilte Innenminister Gérald Darmanin mit. Rund die Hälfte von ihnen ist für den Grossraum Paris vorgesehen. Auch angesichts möglicher Terrorgefahren möchte der Staat für Sicherheit sorgen.

Philosoph Alain Finkielkraut warnt

Französische Rechtspopulisten wollten sich die Krawalle schon im Vorfeld des Halbfinals zunutze machen. Der ultra-konservative Eric Zemmour (64) sagte bei «BFMTV», dass man kein Anhänger zweier Länder sein könne und dass er es «seltsam» fände, wenn sich mehr Menschen über Marokkos Sieg freuten als über den Sieg der Franzosen.

Der französische Philosoph Alain Finkielkraut (73) warnte in einer französischen Fernsehsendung davor, dass «die Illusion des Zusammenlebens einen grossen Schlag erleiden» könnte.

Die französischen Gazetten schlagen dagegen versöhnlichere Töne an. «Wie auch immer das Spiel ausgehen wird: Die Tränen, die notgedrungen auf der einen oder anderen Seite des Mittelmeeres fliessen werden, dürften nicht allzu bitter sein», schreibt beispielsweise die Lokalzeitung «Le Parisien». Und so ist die Frage, die über diesem Halbfinal bei der WM in Katar schwebt: Was passiert nach dem Match?

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