Nach Tagen heftiger Bandengewalt in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince sind nach Medienberichten mehrere Gebäude im Regierungsviertel angegriffen worden. Zu den Zielen der mutmasslichen Banditen gehörten am Freitagabend (Ortszeit) der Nationalpalast, das Innenministerium und ein regionales Hauptquartier der Polizei, wie haitianische und US-Medien meldeten. Nutzer sozialer Medien berichteten von heftigem Schiessen.
Bereits seit gut einer Woche legte Gewalt Port-au-Prince lahm. Polizeiwachen wurden angegriffen, auch am Flughafen fielen Schüsse – alle Flüge fielen aus. Das Gesundheitssystem stand nach Angaben vom Mittwoch des UN-Hochkommissars für Menschenrechte, Volker Türk (59), am Rande des Zusammenbruchs. Bei Angriffen auf zwei Gefängnisse vergangenen Samstag waren ihm zufolge mehr als 4500 Häftlinge ausgebrochen. Nach einem Bericht des Portals «AyiboPost» zeigte die notorisch unterbesetzte Polizei kaum noch Präsenz in den Strassen der Hauptstadt.
Mehr als 4500 Häftlinge ausgebrochen
Die humanitäre Lage in Haiti war schon zuvor sehr angespannt. Laut UN litt fast die Hälfte der elf Millionen Bewohner des Karibikstaats unter akutem Hunger, verschiedene brutal agierende Banden kontrollierten insgesamt rund 80 Prozent von Port-au-Prince. Nun schlossen sich die zwei wichtigsten bewaffneten Gruppen zusammen. Ihr Anführer, Jimmy «Barbecue» Chérizier, drohte mit einem Bürgerkrieg, wenn der Interims-Premierminister Ariel Henry nicht zurücktrete.
Dieser hatte sich bereiterklärt, bis Ende August 2025 Wahlen abzuhalten. Es wären die ersten in Haiti, seit Henry kurz nach der Ermordung des Präsidenten Jovenel Moïse im Juli 2021 die Regierungsgeschäfte übernahm. Von einer Auslandsreise kehrte Henry offenbar wegen der Sicherheitslage bisher nicht zurück.
Die US-Regierung forderte ihn auf, den Prozess hin zu Wahlen zu beschleunigen. Uno-Generalsekretär António Guterres (74) rief dazu auf, eine bereits vom Uno-Sicherheitsrat genehmigte multinationale Sicherheitsmission in Haiti zu finanzieren. (SDA)