Zweihundert der klügsten Köpfe aus aller Welt sitzen in einem abgedunkelten Raum. Sie beugen sich konzentriert über ihre Laptops, umgeben von Whiteboards mit Formeln und To-do-Listen. Seit Stunden, wie man riechen kann, hirnen die Studentinnen und Studenten angestrengt über komplexe Algorithmen.
Mittendrin im stickigen Saal: eine Studentin und zwei Studenten aus der Schweiz. Elena Acinapura (24, ETH), Elias Xaver (23, ETH Zürich) und Alessandro Sinibaldi (24, EPFL Lausanne). Sie nehmen am 11. Hackathon for Social Good in the Arab World teil.
Hackathons sind Begegnungen von Teams, die um die Wette denken, genauer: technische Lösungen für bestimmte Probleme finden wollen. So auch am letzten Wochenende in Abu Dhabi, wo die Teilnehmenden in drei Tagen eine konkrete Idee mit Quantencomputern umsetzen sollten.
Qubits statt Bits
Quantencomputer basieren auf den Prinzipien der Quantenmechanik. Anstelle von Bits, wie in herkömmlichen Computern, verwenden Quantencomputer Qubits. Statt mit null und eins rechnen sie mit nahezu zahllosen Varianten. Ein Quantencomputer ist nicht grundsätzlich schneller als traditionelle Computer (und dürfte sie wohl nie ersetzen), macht aber manche Berechnungen viel einfacher.
Die Projekte der Teams sollen diesen Vorteil für die nachhaltige Entwicklung nutzbar machen. Dahinter steckt die Genfer Stiftung GESDA (siehe Textbox), die mit der Universität zusammenarbeitet. Ihr Ziel: Wissenschaft und Diplomatie miteinander verknüpfen, mit Quantencomputern die Welt retten.
Es ist beeindruckend, welche Ideen schon am ersten Tag Form annehmen. Elena Acinapuras Team arbeitet an einer Anwendung, die Krebszellen früher erkennen soll. Rasche Diagnose ist auch bei Alessandro Sinibaldi ein Ziel, hier geht es um Alzheimer. Elias Xaver und sein Team entwickeln eine Methode, um Stromnetze vor Ausfällen zu schützen.
Der erste Hackathon
Für Acinapura und Xaver ist es der erste Hackathon, für Acinapura sogar die erste Reise ausserhalb von Europa. Die gebürtige Italienerin studiert, wie man Quantencomputer baut – und nicht wie man sie programmiert.
«Für mich ist das eine tolle Möglichkeit, Neues zu lernen», sagt sie enthusiastisch. Gute Laune scheint sie generell zu haben, Fragen beantwortet sie mit Geduld und einem Lächeln. Das scheint ansteckend zu sein: Alle in ihrem Team sind entspannt und geben gerne Einblick. Die Zusammenarbeit klappt problemlos, obwohl alle aus sehr verschiedenen Ländern kommen, von Algerien bis Togo.
SonntagsBlick: Herr Brabeck, Sie waren Nestlé-Chef. Heute arbeiten Sie an einem Open-Quantum-Institut, einer Ausbildung für Wissenschaftsdiplomaten, einem Radar für wissenschaftliche Durchbrüche …
Peter Brabeck: Internationale Zusammenarbeit ist heute nicht gerade in. Der Geneva Science and Diplomacy Anticipator (GESDA), dem ich als Präsident vorstehen darf, soll dem entgegenwirken. Es geht darum herausfinden, was in den Laboratorien der Welt passiert, um vorweg zu wissen, ob es Themen gibt, die nur über multilaterale Organisationen gesteuert werden können. Und sicherzustellen, dass wissenschaftliche Durchbrüche nicht nur einzelnen Firmen oder Ländern zum Vorteil gereichen, sondern allen.
Hehre Ziele, aber alles sehr theoretisch. Wie wollen Sie das konkret umsetzen?
Wir arbeiten mit Tausenden Wissenschaftlern aus der ganzen Welt. Sie sagen uns, was in ihren Laboratorien passiert und welche Durchbrüche sie in ihrer Forschung in den nächsten fünf, zehn, 25 Jahren erwarten. Wir haben Themen herausgesucht, die wir jetzt angehen können. Ein Thema ist ein Open-Quantum-Institut, das den Zugriff auf Quantencomputer für alle ermöglichen soll. Ein zweites ist das globale Curriculum für Wissenschaftsdiplomatie. Weitere sind wir am Diskutieren.
Wieso die Zusammenarbeit mit dem Hackathon in Abu Dhabi?
Es geht um die Frage, wo Quantencomputer einen Vorteil bringen. Man kann die Zukunft nicht genau voraussagen. Aber wenn man gestalten will, dann muss man schauen, was auf uns zukommen kann. Sonst ist die Entwicklung plötzlich da, und man weiss noch nicht, was man damit machen soll. Zum Beispiel eben bei den Quantencomputern. Wir wissen, sie werden die normalen Computer nicht ersetzen. Sie machen aber Neues möglich, etwa bei der Erfindung von neuen Materialien, die man mit herkömmlichen Computern nie berechnen könnte. Zudem wollen wir die Jungen involvieren.
GESDA gibts seit 2019 auf Initiative des Bundes in Zusammenarbeit mit Genf. Wieso braucht es eine private Stiftung?
Die Regierung war beunruhigt, dass Genf die Attraktivität als Zentrum des humanistischen Multilateralismus verlieren könnte. Daher wollte der Bundesrat, dass man eine Institution gründet, die vorausschauend Themen sucht, die eine multilaterale Antwort verlangen.
Wie kommt es, dass Sie sich für GESDA engagieren?
Aussenminister Ignazio Cassis hat mich angefragt. Ich mache das ehrenamtlich, weil mich das Thema interessiert. Es ist eine unglaubliche Bereicherung, wenn man die Möglichkeit erhält, mit Tausenden von Wissenschaftlern über die Zukunft zu sprechen. Und: Ich bin kein Schweizer, aber ich habe viel von der Schweiz bekommen. Wenn ich der Schweiz etwas geben kann, dann ist das für mich eine zivile Pflicht.
SonntagsBlick: Herr Brabeck, Sie waren Nestlé-Chef. Heute arbeiten Sie an einem Open-Quantum-Institut, einer Ausbildung für Wissenschaftsdiplomaten, einem Radar für wissenschaftliche Durchbrüche …
Peter Brabeck: Internationale Zusammenarbeit ist heute nicht gerade in. Der Geneva Science and Diplomacy Anticipator (GESDA), dem ich als Präsident vorstehen darf, soll dem entgegenwirken. Es geht darum herausfinden, was in den Laboratorien der Welt passiert, um vorweg zu wissen, ob es Themen gibt, die nur über multilaterale Organisationen gesteuert werden können. Und sicherzustellen, dass wissenschaftliche Durchbrüche nicht nur einzelnen Firmen oder Ländern zum Vorteil gereichen, sondern allen.
Hehre Ziele, aber alles sehr theoretisch. Wie wollen Sie das konkret umsetzen?
Wir arbeiten mit Tausenden Wissenschaftlern aus der ganzen Welt. Sie sagen uns, was in ihren Laboratorien passiert und welche Durchbrüche sie in ihrer Forschung in den nächsten fünf, zehn, 25 Jahren erwarten. Wir haben Themen herausgesucht, die wir jetzt angehen können. Ein Thema ist ein Open-Quantum-Institut, das den Zugriff auf Quantencomputer für alle ermöglichen soll. Ein zweites ist das globale Curriculum für Wissenschaftsdiplomatie. Weitere sind wir am Diskutieren.
Wieso die Zusammenarbeit mit dem Hackathon in Abu Dhabi?
Es geht um die Frage, wo Quantencomputer einen Vorteil bringen. Man kann die Zukunft nicht genau voraussagen. Aber wenn man gestalten will, dann muss man schauen, was auf uns zukommen kann. Sonst ist die Entwicklung plötzlich da, und man weiss noch nicht, was man damit machen soll. Zum Beispiel eben bei den Quantencomputern. Wir wissen, sie werden die normalen Computer nicht ersetzen. Sie machen aber Neues möglich, etwa bei der Erfindung von neuen Materialien, die man mit herkömmlichen Computern nie berechnen könnte. Zudem wollen wir die Jungen involvieren.
GESDA gibts seit 2019 auf Initiative des Bundes in Zusammenarbeit mit Genf. Wieso braucht es eine private Stiftung?
Die Regierung war beunruhigt, dass Genf die Attraktivität als Zentrum des humanistischen Multilateralismus verlieren könnte. Daher wollte der Bundesrat, dass man eine Institution gründet, die vorausschauend Themen sucht, die eine multilaterale Antwort verlangen.
Wie kommt es, dass Sie sich für GESDA engagieren?
Aussenminister Ignazio Cassis hat mich angefragt. Ich mache das ehrenamtlich, weil mich das Thema interessiert. Es ist eine unglaubliche Bereicherung, wenn man die Möglichkeit erhält, mit Tausenden von Wissenschaftlern über die Zukunft zu sprechen. Und: Ich bin kein Schweizer, aber ich habe viel von der Schweiz bekommen. Wenn ich der Schweiz etwas geben kann, dann ist das für mich eine zivile Pflicht.
Anders läuft es für Xaver. Dessen Team ändert dreimal in den ersten beiden Tagen die Umsetzung der gemeinsamen Idee. Angestrengt sitzen alle vor ihren Laptops. Fragt man, wie es läuft, ist die Antwort knapp. «Ganz gut. Aber grad keine Zeit zum Reden», sagt der ETH-Student. Am zweiten Tag schiebt das halbe Team eine Nachtschicht. Ob sie gewinnen? «Wir müssen noch viel machen, aber ich denke, wir haben eine Chance.»
Schon um seine Teilnahme musste Xaver kämpfen. Acinapura und Sinibaldi hatten bereits die internen Wettbewerbe von ETH und EPFL gewonnen. Xaver bekam zunächst eine Absage. Doch der Masterstudent mit deutschen Wurzeln blieb hartnäckig. Die Veranstalterin war beeindruckt und liess ihn teilnehmen.
Feinschliff bis zum letzten Moment
Am letzten Tag hetzen die Teams durch ihre Präsentationen. Viele wirken gestresst. Ihr Projekt war am Morgen noch in Bearbeitung, jetzt ist bereits der Moment der Wahrheit. Dennoch kommt es zu grossen Verzögerungen. Als die Jury ihr Urteil fällt, steht das Abendessen längst bereit.
Für die Schweizer Hochschulen war der Hackathon ein Erfolg: Sinibaldi und Xaver gewinnen mit ihren Teams jeweils den Publikumspreis, Acinapura sichert sich den dritten Platz.
Dann die Überraschung: Xavers Team und dessen Anti-Stromausfall-App holt zusätzlich den ersten Platz – und damit den begehrten GESDA-Preis. Die Gewinner dürfen im Herbst alle nach Genf fliegen, um ihre Idee am Gipfeltreffen der Stiftung zu präsentieren.