Eigentlich stehen sie auf der selben Seite. Doch heute stehen sie sich gegenüber: Bei Blick TV streiten Dominik Waser (21) und Grünen-Präsident Balthasar Glättli (48).
Denn: Die Beziehung zwischen den Grünen und der Klimajugend hat gewaltige Risse. Die Klimajugend fühlt sich vom linken Lager verraten. Ihre Forderungen würden nicht konsequent von den Politikern vertreten. «Der Vorwurf ist natürlich sehr harsch formuliert. Aber das Parlament macht einfach keine Fortschritte, teilweise sogar Rückschritte», sagt Dominik Waser von der Klimajugend.
Glättli: «Unser historisches Wahlergebnis reicht nicht.»
Unfair, sagt Balthasar Glättli: «Ich verstehe das als Angriff auf die Politik.» Das Hauptproblem sei die bürgerliche Mehrheit im Parlament. «Darüber verzweifle ich auch!» Der oberste Grüne ist froh, dass die Klimajugend heute Freitag zum ersten Mal zurück auf die Strasse drängt: «Unser historisches Wahlergebnis reicht nicht. Deswegen bin ich froh, wenn jetzt auf der Strasse wieder die breite Mehrheit spürbar ist.»
Eine Ausrede, findet Waser. «Wir haben zum historischen Wahlsieg der Grünen beigetragen. Und alle Parteien haben sich vor den Wahlen damit gerühmt, ökologisch zu sein.» Aber: «Es passiert nichts. Für uns ist das der Beweis: Das System vom Parlament funktioniert nicht.»
«Ich kann den Vorwurf nicht akzeptieren», stellt Glättli klar. Der Jugend sei es gelungen, dass Klimakrise und Klimagerechtigkeit vorne auf der Agenda stehen. «Und da muss das Thema bleiben.»
Klimajugend fordert grundlegenden Politik-Wandel
Dass das Thema auf der Agenda ist und bleibt, reicht der Klimajugend aber nicht. «Wir sind völlig im Rückstand. Man hat die letzten zwanzig, vierzig Jahre viel verschlafen. Wenn man jetzt sagt, es brauche Geduld, zeigt das für mich eins: Dass viele Leute immer noch nicht verstanden haben, was die Dringlichkeit vom Problem ist.» Für Waser, der sich auch bei den jungen Grünen engagiert, ist klar: «Wir brauchen einen Wandel im parlamentarischen System.»
Ein Punkt, auf den Glättli nicht eingehen will. Er lobt den demokratischen Prozess: «Heute sind Sachen möglich, die man sich vor zwei Jahren noch nicht vorstellen konnte. Wir werden das CO2-Gesetz abschliessen, das zwar drei Schritte zu wenig ist, aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung.»
Als Beispiele nennt er das Verbot von Ölheizungen und einen «massiv stärkeren Absenkpfad», was die CO2-Emissionen von Autos angeht. «Nicht so steil, wie wir es wollen, nicht so steil, wie es die jungen Grünen wollen, aber wir haben einen. Es geht abwärts und nicht aufwärts. Und: Zum ersten Mal haben wir eine Flugticketabgabe!»
Glättli wirbt um Zusammenhalt bei der Gletscher-Initiative
Als «unnütz» bezeichnet Waser das überarbeitete CO2-Gesetz. Es brauche ein komplett neues Gesetz, um die Pariser Klimaziele einzuhalten. «Unsere Forderungen sind klar: Netto 0 bis 2030.» Auch den grossen Begriff «Klimagerechtigkeit» sähe er gerne gesetzlich verankert.
Glättli hat erstmal die Gletscher-Initiative im Blick – die allerdings nur Klimaneutralität bis 2050 fordert. Wird die Initiative angesichts der Spaltungen zum nächsten Zankapfel zwischen Grünen und Klimajugend? «Die Gletscher-Initiative ist wie ein Pass, den wir weiterspielen», wirbt er bei der Klimajugend um Verständnis. «Da müssen wir schauen, dass wir auf der gleichen Seite vom Strick ziehen.» (kin)