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Geheimes Telefonat enthüllt
Das riet Biden dem Afghanen-Präsidenten

Bevor die USA ihre Truppen abzog und die Taliban an die Macht kamen, gab es ein brisantes Telefonat zwischen US-Präsident Joe Biden und Afghanistan-Präsident Ashraf Ghani. Das Land solle mit einer Pressekonferenz gerettet werden.
Publiziert: 01.09.2021 um 19:24 Uhr
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Aktualisiert: 01.09.2021 um 19:39 Uhr
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Bevor die Taliban an die Macht kamen, telefonierte US-Präsident Joe Biden (78) mit dem afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani.
Foto: keystone-sda.ch

Am 23. Juli, rund drei Wochen bevor die Taliban Kabul überrannten, rief der amerikanische Präsident Joe Biden (78) den afghanischen Präsidenten Aschraf Ghani (72) an. Bereits häuften sich Meldungen verlorenen Städte und Regionen; den Taliban fiel Provinz um Provinz in die Hände.

In dem 14-minütigen Telefonat, von dem die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, machte Biden seinem afghanischen Amtskollegen Druck. «Ich muss Ihnen nicht sagen, dass die Welt und Teile Afghanistans den Eindruck haben, dass der Kampf gegen die Taliban nicht gut läuft», sagte Biden laut einer Mitschrift, die offenbar von dem Gespräch existiert. Daher müsste ein anderes Bild vermittelt werden.

Regierung sollte sich stark inszenieren

Die afghanische Regierung habe ein «Wahrnehmungsproblem». Es sei egal, ob es stimme oder nicht, aber die Regierung müsse nun versuchen, sich stärker zu inszenieren. Biden hatte auch gleich einen Vorschlag, wie man dies anstellen könne. Prominente Politiker sollten auf einer gemeinsamen Pressekonferenz eine neue Strategie präsentieren, wie man die Taliban bekämpfe wolle.

Biden betonte in dem Gespräch zwar, dass er nicht genau wisse, wie dieser militärische Plan aussehen solle. Aber allein schon die Inszenierung würde eine Menge bewirken. Und zwar wie das eigene Volk, Verbündete und die USA auf Afghanistan und den Kampf gegen die Taliban blicken.

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Ghani sollte laut Biden unbedingt an der Macht bleiben

Gleichzeitig lobte Biden das afghanische Militär. Es sei schliesslich von den USA gut ausgebildet. «Sie haben eindeutig das beste Militär», so der US-Präsident. Damit sei das Land in der Lage, sich gegen die Taliban zu verteidigen. Er sicherte zu: «Wir werden weiterhin hart kämpfen, diplomatisch, politisch und wirtschaftlich, um sicherzustellen, dass Ihre Regierung nicht nur überlebt, sondern erhalten bleibt und wächst, denn es liegt eindeutig im Interesse des afghanischen Volkes, dass Sie Erfolg haben und die Führung übernehmen.»

Offenbar glaubte Biden tatsächlich noch an den Sieg gegen die Taliban. Ein Irrtum! Knapp drei Wochen nach dem Telefonat musste Ghani fliehen. Nun sind die militanten Islamisten wieder an der Macht. Sie beherrschten bereits das Land von 1996 bis 2001. Erst eine US-geführte Militärinvasion setzte ihrer Herrschaft nach den Anschlägen vom 11. September ein Ende.

Das afghanische Militär und Trump sind schuld

In seiner Rede an die Nation am Dienstagabend hatte Biden den Abzug verteidigt. «Es war an der Zeit, diesen Krieg zu beenden», sagte der 78-Jährige. Die Alternative wäre gewesen, Zehntausende weitere Soldaten in das Land zu schicken und den Konflikt zu eskalieren, argumentierte er. Während er im Telefonat mit Präsident Ghani noch das afghanische Militär lobte, macht er dieses nun für die Machtübernahme der Taliban verantwortlich.

Und überhaupt: Sein Amtsvorgänger Donald Trump (75) habe eine Vereinbarung mit den Taliban geschlossen und den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan zugesagt. Er selbst habe die Wahl gehabt, daran festzuhalten oder aber Zehntausende weitere US-Soldaten in den Krieg zu schicken. Biden betonte, er habe den Krieg nicht ewig verlängern wollen. Und er habe auch den Abzug nicht ewig verlängern wollen.

Taliban lassen sich Zeit mit Regierungsbildung

Nun richten sich die Blicke auf die erneute Herrschaft der islamistischen Taliban in dem Land. Mit einer Regierungsbildung lassen sie sich Zeit. Es gebe noch keine exakten Informationen über den Zeitpunkt, sagte Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch. Auch ob Taliban-Führer Haibatullah Achundsada erstmals nach der Machtübernahme der Islamisten öffentlich auftreten werden, liess er offen. «Wir warten», so Mudschahid.

Recherchen der «New York Times» zufolge könnte Achundsada als oberste religiöse Instanz in einem neuen politischen System in Afghanistan eine ähnliche Rolle spielen wie beispielsweise Irans oberster Führer Ajatollah Ali Chamenei.

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Wahlrecht gilt als äusserst unwahrscheinlich

Afghanistans Nachbarland Iran hat als Staatsform eine Präsidialrepublik. Die eigentliche Macht liegt nach der islamischen Revolution 1979 jedoch beim «Revolutionsführer». Chamenei ist Staatsoberhaupt und militärischer Oberbefehlshaber sowie zugleich auch die höchste geistliche Instanz. Laut Verfassung hat er in allen strategischen Belangen das letzte Wort und ein Vetorecht. Wahlen haben die Taliban im Gegensatz zum Nachbarn Iran bisher immer abgelehnt. Ein Wahlrecht gilt daher als äusserst unwahrscheinlich.

Einer möglichen Beteiligung früherer Regierungsmitglieder erteilte ein hochrangiges Mitglied der Islamisten bereits eine Absage. «Wir versuchen, eine Regierung zu bilden, die sowohl intern als auch international unterstützt wird», sagte der Vizechef des politischen Büros der Taliban in Katar, Schir Mohammed Abbas Staneksai. «Aber natürlich werden die Personen, die in den letzten 20 Jahren Ministerien unter ihrer Kontrolle hatten, nicht Teil der neuen Regierung sein», sagte Staneksai im Interview mit dem paschtusprachigen Sender der BBC am Dienstag.

Mit Spannung wird erwartet, ob die Taliban auch Vertreter anderer Volksgruppen sowie Frauen in die Regierung aufnehmen – und ob diese auch wichtige Ämter übernehmen oder nur eine Alibifunktion haben. (jmh/SDA)

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