Geheimdienst drängte Armee
Darum scheiterte Putins Blitzkrieg

In einem Interview nennt der stellvertretende ukrainische Nachrichtendienst-Chef interessante Details zum russischen Angriffskrieg. Wadim Skibitski spricht über den russischen Geheimdienst FSB, Angriffe auf feindlichem Territorium und den Kampf um Bachmut.
Publiziert: 20.12.2022 um 10:20 Uhr
1/7
Laut Skibitski wurde die Invasion vor dem Einmarsch am 24. Februar dreimal verschoben.

Wadim Skibitski hat sich optimistisch über die aktuelle Lage in der Ukraine geäussert. Er nannte einen entscheidenden Faktor, der erklärt, warum die russische Invasion auf breiter Front derart scheiterte.

«Sie haben unsere Widerstandsfähigkeit klar unterschätzt», sagte der stellvertretende ukrainische Geheimdienstchef «Bild». Er sprach von Planungsfehlern auf russischer Seite – der Einmarsch sei sogar dreimal verschoben worden, zuletzt Mitte Februar.

Der russische Geheimdienst FSB habe Generalstabschef Waleri Gerassimow (67) bedrängt, bis dieser dem Druck nachgegeben und den Angriff befohlen habe. Ein überstürzter Entscheid, wie sich herausstellte. Kreml-Chef Wladimir Putin (70) und der FSB seien davon überzeugt gewesen, genügend vorbereitet zu sein, um die Ukraine in kurzer Zeit zu erobern. Ein Trugschluss.

«Sie können unsere Armee nicht offen besiegen»

Die russischen Einheiten waren laut Skibitski nur mit «Verpflegung, Munition und Treibstoff für drei Tage ausgerüstet». Die besten Einheiten der Russen hätten zu Beginn des Krieges schwerste Verluste erlitten, weil sie nicht richtig vorbereitet waren. Das zeige, wie sehr sich die Russen verschätzt hätten, so Skibitski. Und auch jetzt würden Putins Truppen alles andere als gut dastehen. Es fehle es an modernen Kampfpanzern, ballistischen Raketen und Marschflugkörpern.

Zwar würden die Russen immer wieder mit Drohnen angreifen. Doch den grössten Teil können die Ukrainer vom Himmel holen. Seit Oktober wendet Moskau eine Taktik massiver Angriffe auf die ukrainische Energie-Infrastruktur an. Per Fernbeschuss werden Kraftwerke, Öl- und Gasspeicher sowie Verkehrsknotenpunkte in der Ukraine angegriffen. Deswegen kommt es im Land regelmässig zu Stromausfällen oder Unterbrechungen bei der Wasserversorgung.

Skibitski dazu: «Sie können unsere Armee nicht offen besiegen, deswegen versuchen sie den Widerstand der Bevölkerung zu schwächen.»

Wagner-Chef hat nicht viel vorzuweisen

Derzeit ist besonders die Industriestadt Bachmut umkämpft. Laut Skibitski habe es drei Gründe, weshalb die Russen die komplett zerstörte Stadt Bachmut um jeden Preis erobern wollen. Erstens wollen Putins Truppen die gesamte Region Donezk kontrollieren und dann zweitens von dort aus die Städte Kramatorsk und Slowjansk angreifen zu können. Als dritten Grund nannte er die Ambitionen des Chefs der berüchtigten Wagner-Gruppe Jewgeni Prigoschin. «Er wirft der russischen Armee vor, dass sie nicht vorankommt, aber er hat auch nicht viel vorzuweisen.»

Zum Schluss äusserte sich Skibitski auch zu den Angriffen der Ukrainer auf russischem Boden. Dabei würden lediglich militärische Ziele wie Logistikzentren attackiert. Russland hat der Ukraine in den vergangenen Wochen verstärkte Angriffe auf russisches Territorium vorgeworfen. Anfang Dezember hatte Moskau Kiew beschuldigt, für Drohnenangriffe auf zwei entscheidende Militärflugplätze in Zentralrussland verantwortlich zu sein. (nad)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?