Für einen Nuklearschlag braucht Putin mindestens zwei Atomkoffer
Wie gefährlich ist «erhöhte Alarmbereitschaft»?

Trotz Drohungen aus Moskau glaubt ETH-Sicherheitsexpertin Névine Schepers nicht an einen Atomschlag. Sie hofft, dass der direkte Draht zwischen den Armeespitzen von Russland und den USA deeskalierend wirken wird.
Publiziert: 28.02.2022 um 14:53 Uhr
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Aktualisiert: 28.02.2022 um 16:44 Uhr
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Machtdemonstration: Putin fährt in Moskau an Defilées immer wieder seine Atomwaffen auf (Jahr 2021).
Foto: Sergei Fadeichev/TASS
Guido Felder

Der Welt stockt der Atem: Der russische Präsident Wladimir Putin (69) hat am Montag die Abschreckungswaffen «in erhöhte Alarmbereitschaft» versetzt – und das, während an der ukrainisch-belarussischen Grenze Friedensverhandlungen liefen.

«Abschreckungswaffen»? Klar, dass da die Atomwaffen gemeint sind. Russland ist weltweit die grösste Atommacht, das Land verfügt über 6255 Sprengköpfe, die USA haben 5550.

In Russland gibt es bis zur Auslösung von Atomwaffen einen Vierstufenplan. Jetzt herrscht Stufe zwei. Das letzte Mal war dies der Fall, als Putin 2014 die Halbinsel Krim annektierte.

Mit dieser Drohung reagiert er auf die «harten Wirtschaftssanktionen», die bereits wirken. So befindet sich der Rubel seit Montag im freien Fall, die russische Wirtschaft droht zu kollabieren.

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Noch keine Gefahr eines Atomschlages

Névine Schepers vom Center for Security Studies an der ETH Zürich sieht dennoch keine unmittelbare Gefahr durch einen Atomschlag. Sie sagt zu Blick: «Die Tatsache, dass Washington öffentlich erklärt hat, es werde seine Haltung als Reaktion darauf nicht ändern, bedeutet wahrscheinlich, dass es sich vorerst nur um politische Signale handelt.» «Höhere Bereitschaft» sei nicht gleichbedeutend mit der Vorbereitung auf einen Atomschlag.

Es sei aber unklar, was genau Putins Ankündigung bedeute. Sie könnte eine Reihe von Elementen enthalten, wie die Entsendung zusätzlicher U-Boote mit ballistischen Raketen auf Patrouille oder die Alarmbereitschaft von Atombomben. Die meisten dieser Schritte würden für die USA und ihre Verbündeten sichtbar sein.

Und Névine Schepers ist überzeugt: «Die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen, wenn die Existenz des russischen Staates und Territoriums nicht in Gefahr ist, widerspricht Russlands eigenen erklärten Prinzipien.»

Wichtiger direkter Draht

Eine wichtige Rolle für Deeskalation dürfte der direkte Draht spielen, den es zwischen den Atommächten auch im Krisenfall gibt. So können Mark Milley (63), der Chef der US-Streitkräfte, und sein russisches Gegenüber, Valeri Gerasimov (66), direkt miteinander Kontakt aufnehmen.

Die beiden Atommächte haben diesen direkten Kontakt 1963 nach der Kuba-Krise aufgebaut. Laut «Politico» handelt es sich inzwischen um einen gesicherten E-Mail-Link. Daneben gebe es aber auch andere Kanäle.

Die Armeechefs haben sich im September in Helsinki zu einem sechsstündigen Gespräch getroffen. Seither hätten sie mehrmals miteinander gesprochen, auch noch, als die Russen ihre Streitkräfte an der Grenze zur Ukraine in Stellung brachten.

Eine solche Verbindung und einen Prozess zur Deeskalation hatte es zuletzt im Syrienkrieg gegeben. Die USA und Russland gaben sich gegenseitig bei Einsätzen Bescheid, so dass einer dem anderen nicht in die Quere kam. 2019 trafen sich die beiden Armee-Vertreter zu Syrien-Gesprächen in Bern.

Drei Atomkoffer

Wie in den USA, gibt es auch in Russland Atomkoffer, mit denen Atomwaffen ausgelöst werden können. Es gibt drei: Einer ist bei Präsident Putin, einer ist bei Sergei Schoigu (66), dem Verteidigungsminister, und der dritte Koffer ist beim Chef des Generalstabs. Es braucht Zugriff auf zwei dieser Koffer, um nukleare Waffen auslösen zu können.

Névine Schepers sagt zu Blick: «Die Aufrechterhaltung einer klaren und ständigen Kommunikation könnte angesichts des immer enger werdenden Spielraums für diplomatisches Engagement wirklich eskalierende Situationen vermeiden.»


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