Etwas mehr als einen Monat ist die Stadt Butscha in der Ukraine von russischen Soldaten besetzt. Als sie Anfang April kampflos abziehen, hinterlassen sie ein Trümmerfeld des Grauens. Tote Zivilisten liegen auf der Strasse, Dutzende Frauen und Mädchen leiden unter den Folgen von Missbrauch und Vergewaltigung durch die russischen Soldaten.
Über 100 Fälle von Sexualverbrechen wurden bei einer eigens eingerichteten Hotline bislang gemeldet, berichtet nun «Radio Swoboda». Unter den Opfern sind nicht nur Frauen. Auch Männer und Mädchen melden Missbrauch und Vergewaltigung. Das jüngste Opfer ist gemäss Angaben der Meldestellen zehnjährig.
Abtreibung nicht immer möglich
Die Leiterin der Meldestelle sagt gegenüber «Radio Swoboda», bislang seien zwölf Mädchen bekannt, bei denen die Vergewaltigung zu einer Schwangerschaft geführt habe. «Aber in Wirklichkeit sind es viel mehr. Nur ein kleiner Prozentsatz der Mädchen meldet sich. Nach dem Krieg wird es in der Ukraine viele schwangere Minderjährige geben.»
Eine Abtreibung ist nicht immer möglich. Etwa im Fall eines 14-jährigen Mädchens, das von fünf russischen Soldaten vergewaltigt wurde. Sie ist schwanger, eine Abtreibung ist aber nicht möglich. Denn sollte sich das Mädchen zu einer Abtreibung entscheiden, wird sie wahrscheinlich keine Kinder mehr bekommen können. Sie wird nun psychologisch betreut, um das Kind akzeptieren zu können.
Auch in Polen, wo viele ukrainische Flüchtlinge leben, ist eine Abtreibung aus gesetzlichen Gründen oft sehr schwierig. Oleksandra Matwitschuk, die Vorsitzende des Civil Liberties Center, twitterte kürzlich, dass polnische Psychologen die Mädchen aufforderten, ihre Kinder zu behalten und nicht abzutreiben. «So ruinieren sie das Leben von beiden».
Helfer suchen nach Wegen
Deswegen haben sich freiwillige Helfer zum Ziel gesetzt, schwangere Vergewaltigungsopfer zu unterstützen. «Wir können Menschen helfen, in ein anderes Land zu gehen, wo sie abtreiben können – Deutschland, Österreich, Tschechien, die Niederlande und andere. Wir benötigen keine Dokumente, um Hilfe leisten zu können. Wir fragen die Leute nicht, wie sie schwanger wurden oder warum sie eine Abtreibung wollen», sagt die Freiwillige Mara Clark.
Bis zur 12. Schwangerschaftswoche ist zudem eine Abtreibung mit Pillen möglich. Die Helfer klären die Flüchtlinge in Polen über diese Möglichkeit auf und helfen ihnen, in Apotheken an diese Pillen zu gelangen. Verteilen dürfen sie die Pillen nicht. Das Gesetz verbietet es. (zis)