Der Angriff Russlands auf die Ukraine lässt weltweit die Waffenschmieden glühen. Überall wird aufgerüstet – doch das schon länger. Laut dem in Stockholm ansässigen Friedensforschungsinstitut Sipri haben die Militärausgaben im vergangenen Jahr zum neunten Mal in Folge einen Höchststand erreicht.
So sind die Militärausgaben 2023 um 6,8 Prozent auf 2,44 Billionen Dollar angestiegen. Eine enorme Summe. Sie entspricht knapp 30 Mal dem Schweizer Bundeshaushalt. Man könnte damit rund hundert Jahre lang die Hungersnot auf der Welt lindern. Oder fast 200 Mal den Gotthard-Basistunnel bauen.
Weltmeister bei den Militärausgaben bleiben die USA, die über ein Drittel der weltweiten Ausgaben ausmachen. Auf den weiteren Rängen folgen China und Russland, wo die Militärausgaben in einem Jahr um satte 24 Prozent gestiegen sind und inzwischen knapp sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen.
Noch höher im Vergleich zum BIP sind die Kosten in der kriegsgeplagten Ukraine. Der Krieg belastet das Land mit 37 Prozent des BIP. Inzwischen haben elf der 31 Nato-Staaten ihr Ziel von zwei Prozent des BIP erreicht oder gar überschritten.
Klima und Gesundheit bleiben auf der Strecke
Der jährlich erscheinende Sipri-Bericht zu den Militärausgaben in aller Welt gilt als weltweit umfassendste Datensammlung dieser Art. Die Friedensforscher zählen auch Aufwände für Personal, Militärhilfen sowie militärische Forschung und Entwicklung zu den Ausgaben.
Sipri-Analyst Nan Tian sagt gegenüber tagesschau.de: «Dass die Ausgaben so hoch sind wie nie und so drastisch angestiegen, spiegelt die sich verschlechternde Lage auf der Welt wider.» Statt auf Diplomatie setzten Staaten auf militärische Stärke. «Sie wählen Wege, die zur Eskalation statt Deeskalation führen. Das ist sehr besorgniserregend für die ganze Welt.»
Nan Tian warnt davor, dass wegen der erhöhten Investitionen im Militär andere wichtige Bereiche auf der Strecke bleiben: etwa die Klimakrise und die Gesundheit. Tian: «Regierungen müssen ein Gleichgewicht finden: Wie viel soll für das Militär – und wie viel für die soziale menschliche Sicherheit ausgegeben werden?»
Seine Prognose ist düster. «Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Sicherheitslage 2024 oder auch 2025 verbessern wird», sagt Tian. Er rechnet daher mit einem weiteren Anstieg der Militärausgaben.
Wie eine Fieberkurve
Für Sipri-Direktor Dan Smith ist es nachvollziehbar, dass momentan viele Regierungen ihre Militärausgaben erhöhen, in der Hoffnung, mehr Sicherheit für ihr Land zu erkaufen. Gegenüber Blick sagt er: «Die Grafik der steigenden Militärausgaben ist wie eine Fieberkurve am Fussende eines Spitalbetts: Das Fieber steigt und zeigt, wie krank die Welt ist.»
Damit sich die Kurve senke und die Welt wieder gesunder werde, fordert der Friedensforscher: «Die Staats- und Regierungschefs der Grossmächte müssen erkennen, dass es für Risiken Grenzen gibt.» Als besondere Risiken gelten zum Beispiel die nukleare Bedrohung oder auch die Zerstörung der Umwelt und die Klimaerwärmung.
Die Staatsoberhäupter müssten sich zusammensetzen, um Grenzen festzulegen – so wie es selbst in den schlimmsten Tagen des Kalten Krieges geschehen sei. Nur so könne Schlimmeres verhindert werden, und nur so gebe es eine Chance, sich auf bessere Zeiten zuzubewegen. Dan Smith: «Man muss mit kleinen Schritten beginnen, grössere Ambitionen folgen etwas später.»