Hier jubeln 500'000 Menschen Kilicdaroglu zu
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Kann er Erdogan schlagen?Hier jubeln 500'000 Menschen Kilicdaroglu zu

Frauen, Flüchtlinge, Nato
Die Türkei-Wahl geht auch uns etwas an

Mehr als 60 Millionen Türkinnen und Türken bestimmen am nächsten Sonntag ihren Präsidenten. Für wen sie sich entscheiden, wirkt weit über die Landesgrenzen hinaus – hier die fünf wichtigsten Gründe.
Publiziert: 08.05.2023 um 12:08 Uhr
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Recep Tayyip Erdogan (69) hat keine Lust, nach 20 Jahren an der Macht abzutreten.
Foto: DUKAS
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Seit 20 Jahren hat nur ein Mann das Sagen in der Türkei. Er ist Staatsoberhaupt, Regierungschef, oberster Befehlshaber, Polizei- und Parteichef in einem. Er führt die Nationalbank an der kurzen Leine, er kontrolliert mehr als 90 Prozent der klassischen Medien. Recep Tayyip Erdogan (69) unterscheide nicht mehr viel von den Sultanen, die einst am Bosporus herrschten, schreibt das US-Aussenpolitik-Magazin «Foreign Affairs».

Bald aber könnte Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu (74) dem Langzeitherrscher in Ankara den Garaus machen. In Umfragen liegt er knapp vor Erdogan. Am 14. Mai ist der erste Wahlgang, am 28. Mai der zweite. Das Resultat hat weit über die Landesgrenzen hinaus Bedeutung:

1

Neue Flüchtlingswelle

Millionen von Schutzsuchenden harren in der Türkei aus, darunter rund vier Millionen Kriegsflüchtlinge aus Syrien. Erdogan droht Brüssel immer wieder mit der Öffnung seiner Grenzen nach Griechenland und Bulgarien, falls die EU nicht nach seiner Pfeife tanzen sollte. Dass er die Schleusen dichthält, lässt er sich mit Milliarden von Euros bezahlen. Gegenkandidat Kilicdaroglu will auf solche Spielchen verzichten. Seine Partei hat versprochen, die syrischen Flüchtlinge zurück in ihre Heimat zu schicken und damit die mächtigste aussenpolitische Waffe der Türkei zu entschärfen.

2

Erpressung der Nato

Erdogan, Oberbefehlshaber der zweitgrössten Nato-Armee nach den USA, blockiert Schwedens Beitritt zum westlichen Militärbündnis. Der Grund: Dessen Regierung weigert sich, eine Gruppe kurdischer Aktivisten an die Türkei auszuliefern. Für Ankara sind sie Terroristen, Stockholm verweist auf die Meinungsfreiheit. Bleibt Erdogan an der Macht, wird er die Nato weiter schwächen. Das kommt insbesondere einem zugute: Russlands Machthaber Wladimir Putin (70).

3

Gefahr für Frauen

Erdogan hat sich für die Wahlen mit zwei radikalen Splitterparteien zusammengetan. Sie fordern die Abschaffung des seit 2012 geltenden Gesetzes zum Schutz der Frauen, das es türkischen Gerichten erlaubt, Männern, die ihre Ehefrauen schlagen, den Kontakt zu ihnen zu verbieten. Nach der Machtergreifung der Taliban in Afghanistan wäre dies ein weiterer schwerer Schlag für das Recht der Frauen.

4

Totalitärer Populismus

Nach der Abwahl von Donald Trump (76) 2020 in den USA und Jair Bolsonaro (68) 2022 in Brasilien wäre Erdogan der dritte Rechtspopulist, der abtreten müsste. Seine Niederlage wäre ein weiteres Indiz dafür, dass die Verunglimpfung politischer Gegner, persönliche Angriffe auf Andersdenkende und der Feldzug gegen freie Medien nicht mehr von einer Mehrheit der Wähler akzeptiert wird.

5

Druck auf die Opposition

Hunderttausende von Türken haben ihre Heimat verlassen. Viele Oppositionelle und Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten fürchten, dass Erdogan bei einer Wiederwahl noch rücksichtsloser mit ihnen umspringen wird. Ins Exil geflohene Oppositionelle, darunter viele gut ausgebildete Fachkräfte, liebäugeln mit einer Rückkehr in ihre Heimat, wenn Erdogan die Macht verliert und Kilicdaroglu «einen neuen Frühling» in der Türkei einläutet, wie er auf seinen Wahlplakaten verspricht.

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