Am 3. Juni 1992 entdeckte ein Fussgänger im Fluss Groot Schijn nahe Antwerpen (Belgien) die Leiche einer Frau. Dass es sich um keinen Unfall handelte, war offensichtlich. Ihr Körper wies mehrere Stichwunden auf, ausserdem hatte sie Verletzungen am Nacken und am Rücken.
Wer die Ermordete war, blieb aber Jahrzehnte lang ein Rätsel. Die Ermittler versuchten, sie durch eine Beschreibung sowie die Veröffentlichung von Bildern ihres Tattoos und ihrer Klamotten zu identifizieren. Doch der Erfolg blieb aus. Die Frauenleiche wurde anonym bestattet – ohne Name oder Grabstein.
Erst jetzt, 31 Jahre später, ist klar: Die Verstorbene war Rita R.* (1960–1992) aus Cardiff in Grossbritannien. Der Ermittlungserfolg kam durch die Operation «Identify me». Dabei arbeiteten die belgische, niederländische und deutsche Polizei zusammen mit der Interpol. Das Ziel: 22 Frauen zu identifizieren, bei denen angenommen wird, dass sie ermordet wurden. Die internationale Polizeigruppe wandte sich mit Informationen über die Leichen an die Öffentlichkeit.
Identifiziert dank Rosen-Tattoo
Die Liste der Personen gelangte auch an die jüngere Schwester von Rita R., Donna (61). Sie konnte R. anhand ihres Rosen-Tattoos identifizieren. Somit reiste die Familie nach Belgien, um der Sterbeurkunde von R. einen Namen zu geben. Der Antrag wurde vergangene Woche bestätigt. Einen DNA-Test gab es nie.
Die Familie veröffentlichte ein Statement: «Die Nachricht war schockierend und herzzerreissend. Unsere leidenschaftliche, liebevolle und freigeistige Schwester wurde grausam umgebracht. Es gibt keine Worte, um die Trauer, die wir damals empfanden und noch heute empfinden, wirklich auszudrücken.»
Die Familie gab die Suche nie auf. Bruder Jason (45) erzählt der «Daily Mail», dass er zweimal in der Niederlande und Belgien war, um nach seiner Schwester zu suchen. «Ich denke, wir alle wussten, dass etwas Schreckliches passiert war.» Daher wandte er sich in beiden Ländern an die Polizei. Diese habe jedoch kein Interesse gezeigt, ihm zu helfen.
Kriminelle Vergangenheit
Wie die Familie der Zeitung erzählt, hatte die Verstorbene eine heikle Vergangenheit. Von ihrem 22. Lebensjahr bis zu ihrem Tod geriet sie immer wieder in Probleme. Unter anderem war sie in Brandstiftung, Prostitution, Diebstahl und Erpressung verwickelt. Schliesslich wurde ein Haftbefehl gegen sie erlassen. Da R. wusste, dass ihr das Gefängnis drohte, floh sie mit dem Pass ihrer Schwester Donna nach Belgien.
R. verbrachte schon in ihren Zwanzigern Zeit in Belgien und Amsterdam. Auch in Antwerpen, wo ihre Leiche gefunden wurde, hielt sie sich in früheren Jahren auf. Sie musste dort Zwangsprostitution über sich ergehen lassen, bis ihre Familie sie rettete, erzählt Jason.
Die Familie muss nun den Schock der Gewissheit verarbeiten. Bruder Jason sagt: «Für mich hat es einen gewissen Abschluss gebracht. Aber als mir gesagt wurde, dass sie vor all den Jahren ermordet wurde, fehlten mir die Worte.» Halbschwester Joanne Bryan sagt zur Zeitung: «Rita wird nach Hause gebracht und begraben. Sie wurde geliebt – man lässt seine Liebsten nicht zurück.» (mrs)
* Name bekannt