Regiert in Frankreich fünf weitere Jahre Emmanuel Macron (44) – oder gibt es einen Umbruch? Nach einem Wahlkampf im Schatten des Ukraine-Kriegs hat am Sonntag die erste Runde der französischen Präsidentschaftswahl stattgefunden. Am Morgen um 8 Uhr öffneten die Wahllokale, nachdem in einigen französischen Überseegebieten wegen der Zeitverschiebung bereits am Samstag abgestimmt wurde.
Im Anlauf zur Wahl sah es zuerst nach einem Durchmarsch des Mitte-Politikers Macron in die Stichwahl mit Abstand vor allen Mitbewerbern aus. Nun ist ihm seine Hauptkonkurrentin, die Rechte Marine Le Pen (53), in Umfragen aber gefährlich nahe gerückt.
Macron deutlich vor Le Pen
Die ersten Hochrechnungen, die am Sonntag um 20 Uhr bekannt gegeben wurden, zeigen: Macron und Le Pen duellieren sich in einer Stichwahl in zwei Wochen um das Amt des französischen Staatsoberhaupts. Macron führt mit 28,1 Prozent der Stimmen das Feld deutlich an, Le Pen kommt auf lediglich 23,3 Prozent.
Eine erste Umfrage des renommierten Umfrageinstituts Ipsos-Sopra Steria zufolge geht Macron als wahrscheinlicher Sieger gegen Le Pen hervor. Den Ergebnissen der Umfrage zufolge könnte Macron bei der Stichwahl auf 54 Prozent der Stimmen kommen. Das berichtet der Sender FranceInfo am Sonntagabend.
Das sagt zwar noch nichts über den letztendlichen Ausgang der Abstimmung in der Stichwahl aus. Aber in Berlin, Brüssel und der Wirtschaftswelt möchte man sich nicht ausmalen, was passiert, wenn eine rechte Nationalistin das Ruder im wichtigen EU-Land übernimmt.
Zwar gab Macron sein diplomatisches Bemühen im Ukraine-Konflikt in den Umfragen Auftrieb. Seine Prozente bröckelten aber mit Dauer des Kriegs und dem Spürbarwerden der wirtschaftlichen Folgen. Seine grössten Stärken dürften derzeit die Schwäche seiner meisten Gegner und das Versprechen von Stabilität sein. Dabei hat er klare Erfolge am Arbeitsmarkt sowie einen robusten Durchstart der französischen Wirtschaft nach der Corona-Krise vorzuweisen.
Auch die Beziehung zur Schweiz würde leiden
Gilbert Casasus (66), Direktor des Zentrums für Europastudien an der Universität Freiburg, sagt gegenüber Blick: «Gewinnt Macron die Wahl, profiliert er sich als der starke Mann Europas. Folgerichtig wird er sich vermehrt für die europäische Souveränität einsetzen. Gewinnt Le Pen die Wahl, wird Frankreich zugunsten der Europa-Skeptiker und zulasten der europäischen Integration und insbesondere des deutsch-französischen Tandems geschwächt.»
Auch die Beziehungen zwischen Frankreich und der Schweiz würden bei einer Wahl Le Pens leiden, meint Doppelbürger Casasus. Die Schweiz könne es sich weder leisten noch vorstellen, «einen illiberalen westlichen Nachbarn» zu haben.
Aber auch bei einem erneuten Sieg Macrons dürfe man sich nicht zu viel erhoffen. Casasus: «Die Beziehungen haben sich nach dem einseitigen Scheitern des Rahmenabkommens und dem Entscheid gegen den französischen Kampfjet Rafale in den vergangenen zwei Jahren deutlich verschlechtert.»
Le Pen will die Mitte
Marine Le Pens Ziel war, auch für Schichten in der Mitte wählbar zu werden. Dabei spielte ihr der extrem rechte Politikneuling Éric Zemmour (63) in die Karten, der sie zunächst in Umfragen überrundete. Während Zemmour durch zunehmend radikales Gebaren verstörte, wurde Le Pen gleichsam zur wählbaren Alternative zum Extremisten. Während dieser weiter über Migration redete, schwenkte Le Pen in der Krise instinktiv auf das drängende Thema Kaufkraft um – ein Volltreffer. Zemmour kommt laut Hochrechnungen denn auch auf weniger als sieben Prozent aller Stimmen.
Der Wahlkampf, bis dahin leidenschaftslos geführt und von vielen Französinnen und Franzosen kaum beachtet, fokussiert nun seit Wochen auf die Fragen, wie der Benzinpreis etwas gesenkt werden kann, die Kosten für Strom und Gas reguliert werden und die Bevölkerung nach immer teurer werdenden Einkäufen überhaupt noch Geld im Portemonnaie behält.
Eine krachende Niederlage setzte es für die Sozialisten und die Konservativen ab. Gemäss den Hochrechnungen vom Sonntag kamen die Konservativen auf gerade einmal 4,7 Prozent aller Stimmen. Die Sozialisten, die zwischen 2012 und 2017 mit François Hollande (67) noch den Präsidenten stellten, stürzen auf rund 2 Prozent ab. (gf/zis)