Frank A. Meyer zum Tod des deutschen Ausnahme-Politikers
«Wolfgang Schäuble mochte die Schweiz»

Am Dienstag ist der deutsche Politiker Wolfgang Schäuble (†81) gestorben. Frank A. Meyer würdigt den Schweiz-Freund, der auch überzeugter Europäer war, und er bedauert, dass er Angela Merkel den Vortritt lassen musste.
Publiziert: 27.12.2023 um 18:07 Uhr
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Wolfgang Schäuble war 51 Jahre im Bundestag und setzte sich in Brüssel für die Schweiz ein.
Foto: Keystone

Mit dem Tod von Wolfgang Schäuble (†81) hat Deutschland am Dienstag eine grosse, ja legendäre politische Persönlichkeit verloren. 2013 hatte die Hans Ringier Stiftung dem ehemaligen CDU-Minister und Bundestagspräsidenten in Ascona den «Europapreis für politische Kultur» verliehen. Stiftungsratspräsident Frank A. Meyer würdigt den herausragenden Politiker, welcher der Schweiz sehr nahestand. 

Der demokratische Handwerker

«Wolfgang Schäuble war eine Persönlichkeit, wie es sie selten gibt, nicht zuletzt in der Politik. Er vereinigte drei Stärken: Er war ein leidenschaftlicher Demokrat und Republikaner; er war praktizierender Handwerker der Politik; er war ein hochgebildeter Intellektueller. Wolfgang Schäuble verstand es, Themen von der Peripherie her zu analysieren, um dann ins politische Zentrum vorzudringen und eine Lösung zu finden. Mit ihm hat die CDU, hat Deutschland, hat Europa eine geistige Führungsfigur verloren.» 

Der überzeugte Europäer

«2013 hat die Hans Ringier Stiftung Schäuble den ‹Europapreis für politische Kultur› verliehen. Der Christdemokrat verkörperte europäisches Denken, verkörperte den demokratischen und republikanischen Geist Europas. Er war ein Segen für die Europäische Union.» 

Der Freund der Schweiz

«Wolfgang Schäuble mochte die Schweiz, wie man als engagierter Demokrat und Republikaner die Schweiz nun mal gern haben muss. Er spürte Kraft und Ursubstanz unseres Landes. Ich habe ihm einmal gesagt: ‹Herr Schäuble, eigentlich sind Sie ein Schweizer.› Dennoch blieb er gegenüber der Schweiz auch kritisch eingestellt, beispielsweise wenn es um Steuern oder die Unterstützung der Ukraine ging. Aber was man mag, kritisiert man.» 

Das neugierige Energiebündel

«Mehr als ein halbes Jahrhundert politisierte Wolfgang Schäuble im Bundestag. So lange wie bisher niemand. Dennoch zeigte er keine Ermüdungserscheinungen. Als Intellektueller war er getrieben von einer nie gesättigten Neugier; sie liess ihn immer wieder Neues entdecken. Er lebte die Politik im Sinne von ‹Versuch und Irrtum›: Jedes Resultat überprüfte er auf Verbesserungsmöglichkeiten. Er war ein grandioser Akteur der ‹offenen Gesellschaft› im Sinne des Philosophen Karl Popper.» 

Der verhinderte Kanzler

«Wegen der Spendenaffäre von Kanzler Helmut Kohl blieb es Schäuble verwehrt, Kanzler zu werden. Ob er ein guter Regierungschef gewesen wäre? Er hätte das Amt – verglichen mit Angela Merkel – sicher mit Bravour gemeistert. Es ist für Deutschland eine Fatalität, dass er es nicht geworden ist. Immerhin konnte er in seinen anderen Funktionen nachhaltige Wirkung entfalten.» 

Der starke Mann

«Trotz eines Attentats 1990, das ihn an den Rollstuhl band, hat Schäuble nie aufgegeben. Es ist unglaublich, mit welcher Kraft er politisiert und sein Leben gemeistert hat.» 

Die eindrücklichste Erinnerung

«Als ich mir den Preisträger für den ‹Europapreis für politische Kultur› 2018 überlegte, hatte ich den Historiker Christopher Clark im Kopf. Weil ich mir nicht ganz sicher war, besuchte ich Wolfgang Schäuble in seinem Bundestagspräsidenten-Büro in Berlin und bat ihn um Rat. Wie aus der Pistole geschossen sagte er: ‹Christopher Clark.› Dieser Augenblick des gedanklichen Gleichklangs hat mich zutiefst berührt und beeindruckt.» 

Aufgezeichnet von Guido Felder

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