Auf einen Blick
Die FPÖ triumphiert, die Gegner sind schockiert: Herbert Kickl (56), Chef der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei, wird neuer österreichischer Kanzler. Am Montag hat ihn Bundespräsident Alexander Van der Bellen (80) wider Willen mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Mangels Alternativen konnte der nicht anders: Koalitionsgespräche zwischen ÖVP, SPÖ und den Neos waren gescheitert und führten zum Rücktritt von ÖVP-Kanzler Karl Nehammer (52).
Am Montag protestierten FPÖ-Gegner auf dem Ballhausplatz in Wien. Gekommen waren unter anderem die «jüdischen österreichischen HochschülerInnen» und die «Omas gegen Rechts», die Parolen wie «Alle gegen den Faschismus» und «Kickl rausschmeissen» skandierten. Auf Donnerstag ist eine grosse Menschenkette angekündigt. Das Motto tönt nach Weltuntergang: «Alarm für die Republik».
Wie schlimm ist Kickl wirklich? Wohin Kickl Österreich steuern will, steht in grossen Lettern auf dem Parteiprogramm: Analog zu Donald Trumps «America first» heisst es da «Österreich zuerst». Kickl hat angekündigt, sein Land zur «Festung Österreich» umzubauen.
Gemeint sind eine harte Migrationspolitik, weniger Einmischung der EU, Ablehnung des europäischen Abwehrsystems «Sky Shield», tiefere Steuern und eine freundlichere Haltung gegenüber Russland.
Welche Rolle spielt die ÖVP?
Wie weit Kickl seine Vorhaben aber durchsetzen kann, ist offen und hängt auch vom Juniorpartner in der Regierung ab. Das dürfte die ÖVP sein. Die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle (55) von der Fachhochschule Kärnten sagt gegenüber Blick: «Es liegt an der ÖVP, aber auch an den anderen Parteien, dem FPÖ-Programm Widerstand entgegenzusetzen.» Denn: Eine verfassungsändernde Mehrheit – zwei Drittel der Stimmen im Parlament – besitze die Koalition nicht.
Am Dienstag drohte Kickl: Falls die ÖVP seinen Kriterien nicht folge, werde er Neuwahlen veranlassen. Laut aktuellen Umfragen würde die FPÖ nochmals kräftig zulegen, und zwar von 28,8 Prozentpunkte bei den Wahlen im September auf aktuell 35 Prozentpunkte.
Auch auf europäischer Ebene wird Kickl seinen Stempel aufdrücken wollen. Als Freund des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán wird Herbert Kickl einen grossen Einfluss in der EU-Politik haben – zum Beispiel bei der Blockade von Massnahmen des Klimaschutzes, aber auch bei der Verteilung im Bereich des Asylrechts. Zudem lehnt Kickl die Sanktionen gegen Russland und die Hilfen für die Ukraine ab.
Kurz warf ihn raus
Der aus einer Kärntner Arbeiterfamilie stammende Kickl ist verheiratet und hat einen Sohn. Er legte in der FPÖ eine typische Parteikarriere ab: Sie führte von der Wahlkampf-Organisation über Redenschreiben für Jörg Haider (1950–2008) bis zum Parlamentarier und Bundespartei-Obmann. Von ihm stammen Slogans wie «Daham statt Islam». Getreu diesem Motto agierte er auch, als ihn der damalige Kanzler Sebastian Kurz (38) zum Innenminister ernannte und er mit harter Hand gegen Migranten vorging.
Kurz hat mit Kickl allerdings schlechte Erfahrungen gemacht. Nachdem das ominöse Ibiza-Video die Verschleierung von Parteispenden bei der FPÖ aufgedeckt hatte, warf er Kickl 2019 nach zwei Jahren aus dem Amt.
Seither hat er die Partei weiter nach rechts getrimmt. Seine geforderte «Remigration» ist ein Begriff aus der rechtsextremen Szene. Der Titel «Volkskanzler», den er für sich pachtet, hatte Adolf Hitler (1889–1945) getragen, bevor er zum «Führer» wurde. Der amtierende Bundespräsident Van der Bellen bezeichnete Kickl wegen seiner Rechts-Politik schon als «Sicherheitsrisiko».
Kontakte zu Rechtsextremen
Wie rechts ist Kickl? Gar rechtsextrem? Kickl hat Kontakte und Verbindungen mit der rechtsextremen Szene. So bezeichnet Kickl die Identitäre Bewegung als «interessantes und unterstützenswertes Projekt». 2016 liess er sich am Kongress «Verteidiger Europas» in Linz, wo sich Rechtsextreme aus Deutschland und Österreich trafen, als Hauptredner engagieren. Auch stellte er als Innenminister Personen ein, die Verbindungen zur rechtsextremen Szene hatte – zum Beispiel Alexander Höferl, den er zum Kommunikationschef ernannte und der zuvor bei einer vom Verfassungsschutz beobachteten Plattform tätig war.
Ob er selber als rechtsextrem bezeichnet werden kann, ist umstritten. Kathrin Stainer-Hämmerle äussert sich zurückhaltend: «Rechtsextrem bedeutet für mich Aufruf zur Gewalt. Das sehe ich nicht.»