Über 9000 Flüchtlinge sind dieses Jahr bereits über den Ärmelkanal nach Grossbritannien gekommen. Um das Migrationsproblem in den Griff zu bekommen, hat der britische Premierminister Boris Johnson (58) deshalb kürzlich ein neues, einjähriges Pilotprojekt angekündigt. Dieses sieht vor, dass Asylbewerber, die über «unnötige und gefährliche Routen» nach Grossbritannien reisen, künftig mit GPS-Trackern elektronisch gekennzeichnet werden sollen. Zudem müssen sie sich regelmässig bei den Behörden melden.
Wer sich nicht daran hält, riskiert eine Inhaftierung oder strafrechtliche Verfolgung. Flüchtlingsorganisationen verurteilten den Plan umgehend. Flüchtlinge würden so wie Kriminelle behandelt, sagen sie.
«Asylsuchende sollen nicht einfach im Rest des Landes verschwinden»
Nun hat Johnson am Samstag Stellung zu den Vorwürfen genommen. Wie die «New York Times» berichtet, verteidigte er seinen Plan nach seiner Rückkehr von einem unangekündigten Besuch in der Ukraine. Und sagte, dieser würde sicherstellen, dass «Asylsuchende nicht einfach im Rest des Landes verschwinden können». Er fügte hinzu, dass er stolz auf Grossbritanniens Erfolgsbilanz bei der Aufnahme von Flüchtlingen sei.
Bei den Flüchtlingsorganisationen und Menschenrechtsanwälten stösst Johnson damit aber auf taube Ohren. Sie warnen davor, dass die Überwachung potenziell verheerende Auswirkungen auf Menschen haben könnte, die bereits Misshandlungen erlitten haben.
«Es ist entsetzlich, dass diese Regierung Männer, Frauen und Kinder, die vor Krieg, Blutvergiessen und Verfolgung geflohen sind, wie Kriminelle behandeln will», sagte Enver Solomon, Geschäftsführer des Refugee Council, einer in Grossbritannien ansässigen Flüchtlingsorganisation. Dieser drakonische Ansatz werde nicht dazu beitragen, diejenigen abzuschrecken, die verzweifelt nach Sicherheit in Grossbritannien suchen, ist sich Solomon sicher.
Abschiebeabkommen mit Ruanda sorgte bereits für Kritik
Die Kritik an Johnsons Plan kommt nur wenige Tage, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am Dienstag eine einstweilige Verfügung erlassen hat, die einen umstrittenen Abschiebeflug, der Asylsuchende von Grossbritannien nach Ruanda hätte bringen sollen, gestoppt hat.
Um das britische Asylsystem zu entlasten, hatte die britische Regierung im April ein fünfjähriges Abschiebeabkommen mit Ruanda unterzeichnet, wodurch illegal in Grossbritannien angekommene Menschen in das ostafrikanische Land geflogen werden sollen, um dort Asyl beantragen zu können. 120 Millionen Pfund hat die britische Regierung dafür bereits im Voraus an Ruanda überwiesen. Der Flug von Dienstag hätte der erste einer Reihe von Flügen nach Ruanda sein sollen.
Auch wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dieses Vorhaben vorläufig gestoppt hat, ist sich Johnson sicher, dass der Plan seiner Regierung rechtmässig sei. Die britische Innenministerin Priti Patel (50) schlug gar härtere Töne an und beschuldigte das Gericht, politisch motiviert zu sein. «Die Regierung wird sich nicht abschrecken lassen, während wir den nächsten Flug nach Ruanda planen», liess ein Sprecher des Innenministeriums in einer Erklärung verlauten. (ced)