Flucht der Milliardäre
Oligarchen geben freiwillig den russischen Pass ab

Die russischen Geschäftsleute müssen ihren Luxus-Gürtel enger schnallen. Der Vermögens-Verlust durch die Sanktionen ist frappant. Letztlich sahen sie nur noch einen Ausweg: den russischen Pass abgeben.
Publiziert: 03.11.2022 um 17:43 Uhr
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Aktualisiert: 03.11.2022 um 18:48 Uhr
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Viele reiche Russen haben den Pass abgeben. So zum Beispiel Oleg Tinkow (r.), der aufgrund des Ukraine-Kriegs mehrere Milliarden Dollar verlor.
Foto: BENJAMIN SOLAND

Ein Milliarden-Loch auf dem Bankkonto und keine Aussicht auf Besserung. Für viele russische Geschäftsleute sind die fetten Jahre vorerst vorbei. Westliche Sanktionen rund um den Ukraine-Krieg liessen ihre Vermögen schrumpfen. Ein Blick auf die «Forbes»-Liste schafft Fakten. Über mehrere Jahre dominierten russische Geschäftsleute die Vermögens-Rangliste. Jetzt ist alles anders. Es befinden sich nur noch zwei Russen innerhalb der Top 100, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet.

Ein brutaler Absturz, der unsentimentale Entscheide zur Folge hat. Viele Oligarchen wenden sich von Präsident Wladimir Putin (70) ab. Nicht nur verbal, auch auf dem Papier. Sie wechseln ihre Staatsbürgerschaft, geben den russischen Pass ab.

Oleg Tinkow

Ein klarer Gegner von Putin. «Er hat einen Krieg mit seinem friedlichen Nachbarn begonnen und tötet täglich unschuldige Menschen. Es ist eine Schande für mich, diesen Pass weiterhin zu besitzen», schrieb Oleg Tinkow (54) auf Instagram. Mittlerweile wurde sein Beitrag gelöscht. Offenbar aber nicht von ihm selbst: Tinkow schreibt, es sei unklar, weshalb der Post verschwunden sei. Trotz der klaren Kreml-Kritik steht Tinkow seit März auf der westlichen Sanktionsliste. Wegen seiner kritischen Sicht auf den Krieg musste er seine Tinkoff-Bank verkaufen. Ein finanzieller Tiefschlag. Im letzten Jahr schätzte das US-Magazin «Forbes» sein Vermögen auf 4,7 Milliarden Dollar. Seit Kriegsbeginn schrumpfte dies gewaltig zusammen. Zurzeit seien es noch rund 646 Millionen Dollar. Mittlerweile wohnt der an Leukämie leidende zypriotische Staatsbürger in London.

Nikolay Storonsky

Es gilt als einer der reichsten Russen: Nikolay Storonsky (38). besitzt 7,1 Milliarden Dollar. Wie er zu seinem Geld kam, ist umstritten. Storonsky betont, dass er sein Vermögen unabhängig von Russland aufgebaut habe. Einige sehen dies anders und verweisen auf die Tätigkeiten seines Vaters. Dieser ist ein hoher Manager des staatlichen russischen Gaskonzerns Gazprom. Im Herbst gab der Mitgründer und CEO des Fintech-Startups Revolut, seinen russischen Pass ab. Neuerdings wird er auf den Vermögens-Listen als Brite aufgeführt. In einem Blog-Beitrag bezog er klar Stellung gegen den Ukraine-Konflikt: «Dieser Krieg ist falsch und absolut abscheulich», schreibt er. «Ich verlange ein sofortiges Ende der Kämpfe und eine diplomatische Lösung.»

Timur Turlow

Der Milliardär Timur Turlow (34) ist seit kurzem kasachischer Staatsbürger. Nach zehn Jahren im Land schien nun der richtige Moment gekommen. «Hier kann ich frei atmen», sagt der Besitzer und Gründer der Freedom Holding. Ursprünglich ermöglichte sie Anlegern in der ehemaligen Sowjetunion Zugang zu den weltweiten Börsen. Handfeste Kritik in Richtung Kreml-Chef Putin gibt es keine. Indirekt soll der 2,4 Milliarden Dollar schwere Mann von einem ungesunden politischen Klima in Russland gesprochen haben.

Juri Milner

Auch Juri Milner (60) betont, dass er sein Vermögen ausserhalb von Russland erworben habe. Gemäss «Forbes» liegen 7,3 Milliarden Dollar auf seinem Bankkonto. Seit der Annexion der ukrainischen Krim 2014 sei er nicht mehr in Russland gewesen, sagt der Finanzexperte und Banker. Einen Namen machte sich Milner im Internetgeschäft. Zuerst in Russland und später in den USA. Er arbeitete mit Twitter und Facebook zusammen. Kritische Töne gegenüber Putin sind vom Mann, der seit über 20 Jahren einen israelischen Zweitpass besitzt und im Silicon Valley eine Villa hat, keine zu vernehmen. Einziger Vorwurf: Er bringe die Welt mit seinen Atomdrohungen in Gefahr.

Ruben Wardanyan

Der Ex-Eigentümer von der Investmentbank Troika Dialog, Ruben Wardanyan (54), entschied sich für Armenien. Anfang September verkündete er, dass er die russische Staatsbürgerschaft abgegeben habe. «Diese Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen, aber sie ist richtig», schreibt er auf seinem Telegram-Kanal. Mittlerweile lebt er in Armenien. Im Jahr 2021 schätzte «Forbes» sein Vermögen auf eine Milliarde Dollar und setzte ihn damit auf Platz 116 der 200 reichsten Menschen Russlands. (nab)

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