Nach «fette, schlaffe Schweiz»-Beschimpfung: Französische EU-Parlamentarierin entschuldigt sich
«Wenn dieser Satz verletzt, tut es mir leid»

Die französische Europa-Parlamentarierin Nathalie Loiseau (57) sagt, dass die EU in der Ukraine-Kreise keine «fette, schlaffe Schweiz» sein dürfe. Es herrscht Empörung. Nun rechtfertigt sie sich im Blick.
Publiziert: 06.02.2022 um 10:06 Uhr
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Aktualisiert: 06.02.2022 um 15:51 Uhr
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Nathalie Loiseau ist seit 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments.
Foto: AFP
Guido Felder

Die Aussage machte die Pariser Politikerin Nathalie Loiseau (57) nach ihrer Rückkehr aus der Ukraine gegenüber der Zeitung «Le Point». Sie erklärte, gegen Moskau dürfe die EU sich nicht wie eine «fette, schlaffe Schweiz» verhalten. Den Link zum Artikel, der dieses Zitat als Titel trägt, postete sie auf Twitter. Was sie genau damit meinte, erklärte sie nicht.

Loiseau gehört der Bewegung «La République en Marche!» an, also der gleichen Partei wie Präsident Emmanuel Macron (44).

Der Schweizer Botschafter in Paris, Roberto Balzaretti (56), hat interveniert. Er erklärte gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP, er sei inhaltlich zwar mit allem einverstanden, was die Abgeordnete fordere. Die Schweiz mache genau das: Der Ukraine helfen und Russland an den Verhandlungstisch bringen. Er hätte dasselbe Interview geben können.

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Im Ton habe Loiseau aber ziemlich daneben gegriffen. Ihre Aussage sei sehr störend. Das könne er nicht akzeptieren, weshalb sich eine Reaktion aufgedrängt habe, sagte Balzaretti.

Versuchte Entschuldigung

Balzaretti dankte der Abgeordneten für die Erwähnung der Schweiz. Dann rief er in Erinnerung, dass sich das Land seit Jahrzehnten für den Frieden und die Sicherheit in Europa und der Welt einsetzt. Mit Entschiedenheit und Diskretion engagiere sich die Schweiz mit ihren Partnern, darunter die EU und Frankreich.

Nathalie Loiseau versuchte, die Wogen zu glätten. Sie twitterte, dass ihr der Titel des Artikels nicht passe, weil er nicht dem zentralen Punkt der Problematik gerecht werde. «Sonst aber», schrieb sie, «vive la Suisse.»

Geharnischte Reaktionen

Sowohl ihre Aussage als auch ihre Entschuldigung sorgen dafür, dass auf Twitter die Wogen hochgehen. Userinnen und User aus der Schweiz und auch Frankreich greifen sie an.

Der französische Anwalt Maxime Thiébaut etwa schreibt: «Ich schäme mich.»

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«Diese Beleidigungen schaden dem Ansehen Frankreichs zutiefst», meint der Senator Alain Houpert.

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Und sein Senatskollege Loïc Hervé sagt: «Nichts für ungut, Madame, aber als guter Nachbar vermeidet man solche Sätze besser.»

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Loiseau vertraut auf «Intelligenz der Schweizer»

Nathalie Loiseau bittet die Schweizerinnen und Schweizer über Blick um Entschuldigung. Auf Anfrage schreibt sie: «Das Interview hat nichts mit der Schweiz zu tun, sondern alles mit der Ukraine-Krise. Ich bedauere, dass wir uns auf einen Satz fokussieren. Wenn er verletzt, tut es mir leid.»

Sie sei gerade aus der Ukraine zurückgekehrt und besorgt über eine ernste Situation und das Risiko, dass Europa nicht entschieden reagieren werde. «Ich greife die Europäische Union an, nicht die Schweiz. Die Schweiz trifft ihre Entscheidungen, die souverän sind und die ich respektiere.»

Die Europäische Union, deren gewählte Vertreterin sie sei, müsse lernen, standhaft zu bleiben und sich darauf vorzubereiten, nicht nur einen diplomatischen Weg zu finden, sondern auch entschlossene Massnahmen zu ergreifen, falls es zu einer militärischen Aggression Russlands kommen sollte.

Weiter schreibt sie: «Ich vertraue auf die Intelligenz der Schweizer, um zu verstehen, was ich meine, jenseits der voreiligen Kommentare.»

Mehrere Beleidigungen

Nathalie Loiseau ist seit 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments. 2017 bis 2019 war sie Ministerin für europäische Angelegenheiten. Schon früher fiel sie durch provokative Äusserungen auf. So sagte sie 2019, sie habe ihre Katze in «Brexit» umbenannt, weil «das Tier jeden Morgen laut miaut, um nach draussen gelassen zu werden, sich aber weigert, hinauszugehen, wenn ich die Tür geöffnet habe».

Nach der Europawahl 2019 beleidigte sie in einer Schimpftirade potenzielle Verbündete von Macron, so die damalige deutsche Kanzlerin Angela Merkel (67) und den ehemaligen belgischen Premierminister Guy Verhofstadt (68).

Für Balzaretti ist die Geschichte gelaufen. Der ehemalige EU-Chefunterhändler erklärte AFP, er wolle die Sache nicht aufblasen und zeigte sich zu einem Gespräch mit Loiseau bereit.

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