Fauci zum Corona-Desaster in Indien
«Riegelt euch ab! Impft!»

In Indien schlägt das Coronavirus mit aller Wucht zu: Es mangelt an allem, Menschen sterben auf den Strassen – und eine Besserung ist nicht in Sicht. US-Immunologe Anthony Fauci (80) gibt dem Land Rat, was zu tun ist.
Publiziert: 03.05.2021 um 11:45 Uhr
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Aktualisiert: 03.05.2021 um 11:47 Uhr
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In Indien läuft die Corona-Pandemie völlig aus dem Ruder. Offiziell meldet das Land mehrere Hunderttausend Neuansteckungen pro Tag.
Foto: imago

Indien versinkt im Chaos: Allein am Sonntag starben 3689 Menschen an den Folgen des Coronavirus – die Dunkelziffer dürfte noch höher sein. An einem einzigen Tag wurden mehr als 400'000 Neuinfektionen gemeldet. «Die Lage ist schrecklich und deprimierend», sagte der deutsche Botschafter in Indien, Walter Lindner, im ZDF-«Heute Journal». «Die Leute ersticken zum Teil in den Autos, weil sie vom einen Krankenhaus zum nächsten fahren. Sie ersticken in der Wartereihe, um Sauerstoff zu erhalten.»

US-Immunologe Anthony Fauci (80) hat nun dem «Indian Express» ein Interview gegeben, um aufzuzeigen, was der schnellste Weg aus der Krise wäre. Bislang gilt nur für die Hauptstadt Neu Delhi ein Lockdown – und auch nur bis nächste Woche. Fauci sagt nun: «Riegelt ab, fahrt alles runter, vorübergehend. Das ist so wichtig. Als in China das Virus explodierte, haben sie alles dichtgemacht. Ihr müsst nicht für sechs Monate zumachen, schon ein paar Wochen helfen, um einen grossen Einfluss auf den Ausbruch zu haben.»

«Indien muss mehr Menschen impfen»

Fauci rät dem gebeutelten Land auch, so schnell wie möglich – zum Beispiel mithilfe des Militärs – Notfall-Spitäler zu errichten. Und mithilfe einer Expertengruppe eine landesweit koordinierte Strategie zu entwickeln. Vor allem, um Medizin und Sauerstoff für die Erkrankten aufzutreiben.

Botschafter Walter Lindner beschrieb die derzeitige Lage in Indien im ZDF: Hilfeaufrufe würden von betroffenen Personen in den sozialen Medien verbreitet – mit der Hoffnung auf ein Krankenhausbett oder Sauerstoff. «Und am nächsten Tag heisst es dann oft: ‹Leider gestorben, niemand hat uns geholfen.›»

Anthony Fauci sagt gegenüber dem «Indian Express», dass in Indien natürlich auch die Impfkampagne so schnell wie möglich vorangetrieben werden müsse. «Indien muss unbedingt mehr Leute impfen.» Nur, woher den Impfstoff holen? Fauci empfiehlt, im grossen Stil bei den Chinesen und Russen einzukaufen. Zudem ist Indien einer der grössten Impfstoffhersteller der Welt. Fauci zeigt auf, wie die Impfkampagne in den USA die Lage nach und nach entspannt hat. «Die Gefahr für Risikopatienten hat dramatisch abgenommen, wenn man die Hospitalisierungsrate und die Sterberate der älteren Menschen in unserem Land anschaut. Diese sind um 75 bis 85 Prozent gesunken. Es geht uns viel, viel besser.»

Erste Charge von Russland bereits geliefert

Fauci sagt weiter: «Es tut uns sehr weh, dass Indien so sehr leidet. Und das ist der Grund, warum der Rest der Welt wirklich mit anpacken und helfen muss. Aber zu den Menschen in Indien sage ich: Haltet zusammen. Wir sitzen alle im selben Boot.»

Mehrere Bundesstaaten in Indien berichteten, dass ihnen die Impfdosen ausgingen oder bereits ausgegangen seien. Am Samstag erhielten landesweit 1,6 Millionen Menschen in staatlichen Impfzentren oder Krankenhäusern eine Impfung. Seit Beginn der Pandemie haben sich in Indien rund 19,5 Millionen Menschen angesteckt, 215'542 sind gestorben. Mehrere Länder, darunter Deutschland, die USA, Grossbritannien und Japan, haben Indien Unterstützung zugesagt.

Aus Russland wurde eine erste Charge des Impfstoffs Sputnik V geliefert, der kürzlich in Indien zugelassen worden war. Die Lieferung sei am Samstag in Hyderabad eingetroffen, twitterte der staatliche russische Direktinvestmentfonds RDIF. Angaben zur Menge wurden zunächst nicht gemacht.

Indien selbst will die Produktion von Corona-Impfstoffen hochfahren. Medienberichten zufolge sollen bis Juni 100 Millionen Dosen pro Monat statt der aktuellen rund 75 Millionen hergestellt werden. (neo/SDA)

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