Die Hiobsbotschaft kam nach dem Frühstück. Sie erreichte die Italiener übers Radio oder über Whatsapp. Eine Stunde nach Bekanntgabe durch die Familie füllte die Mitteilung auch alle Nachrichtenportale. Silvio Berlusconi (†86) ist tot! Gestorben im Mailänder Spital San Raffaele.
Das politische und unternehmerische Perpetuum Mobile steht still. Für viele ist das kaum zu glauben. Fast bis zu seinem letzten Atemzug mischte Berlusconi in der Regierungskoalition mit. Er leitete zusammen mit seinen Kindern sein Wirtschaftsimperium, engagierte sich noch immer für den Fussball-Club AC Monza, den der Unternehmer vor fünf Jahren erwarb. Im Mai dieses Jahres lag Silvio Berlusconi bereits mit einer Lungenentzündung auf der Intensivstation. Er erholte sich, verliess das Spital und winkte den Menschen aus der Limousine fröhlich zu.
Luca trägt Sonnenbrille, damit man die Tränen nicht sieht
Um die Mittagszeit ging nichts mehr rund ums San Raffaele. Journalisten aus ganz Italien reisten an. Ihre Autos standen auf den Trottoirs bis hinein in die Kreisel. Jeder Eingang im Spital-Labyrinth wurde belagert. Kurz vor 14 Uhr fuhr ein dunkelblauer Van aus einem Seitenausgang. Eskortiert von zwei Streifenwagen. Es ist der Leichnam von Berlusconi, der zu seinem Wohnsitz nach Arcore gefahren wurde. Am Dienstag wird sie beim Berlusconi-Sender Mediaset aufgebahrt. Am Mittwoch folgt die Bestattung am Duomo.
Verloren irrt Luca Palmegiani (23) durch den Pulk der Journalisten. Die Fahne von Forza Italia hat er um die Schultern geworfen. Auf der Nase eine Sonnenbrille, «damit man nicht meine verheulten Augen sieht», sagt der regionale Jugendleiter von Forza Italia aus Latina. «Als ich die Nachricht hörte, musste ich herkommen», sagt Palmegiani im Gespräch mit Blick. «Bei einem Treffen in Bergamo hat er uns Jungen einmal gesagt, er habe jede harte Zeit mit einem Lächeln gemeistert. Wir sollten das auch so tun. Doch heute kriege ich kein Lächeln hin.»
Blumen, Grüsse und Fan-Schals vor der Villa San Martino
Auch Nicolò Renzi (35), Gemeinderat von Forza Italia in Cività Nova, ist angereist. «Ich sass im Flieger nach Bergamo. Als die Maschine landete, hatte ich 60 Nachrichten auf Whatsapp. Ich bin sofort nach Mailand gefahren, um Silvio bei seiner letzten Reise zu begleiten.»
Blumen und Kerzen verlieren sich in der gigantischen Spital-Anlage. Anders sieht es vor der Villa San Martino aus. Hier hatte Silvio Berlusconi seinen Wohnsitz, hier fanden einst seine berüchtigten «Bunga Bunga»-Partys statt. Montagmittag jedoch ist niemandem zu Feiern zumute. Am Eingang steht die Polizei und am Boden liegen Blumen, Zettel mit Grüssen wie «Ciao Silvio» und «Ich hab Dich lieb» und sorgfältig aufgereihte Fan-Schals der Fussballvereine, die der Milliardär bis zuletzt unterstützte.
«Silvio war grossartig, nicht nur politisch auch menschlich»
Mario Risireini (58) hat auf einem Boller Platz genommen. Die Krücken hält der Anlagemechaniker im Arm. Ein Arbeitsunfall, sagt der Mann aus Cusano Milanino (I). Doch seine Gehbehinderung hält ihn nicht ab, Silvio Berlusconi seine letzte Ehre zu erweisen. «Silvio war einzigartig, unvergleichlich, ein einfacher, echter Mensch», sagt Risineini und kämpft mit den Tränen, «mir geht es schlecht, richtig schlecht.»
Berlusconi-Nachbarin Margherita (70) findet nur Worte des Lobes: «Silvio war ein grosser Mann. Nicht nur politisch, auch menschlich. Wenn wir ihm begegneten, gab er uns die Hand.» Ihre Freundin Anna Angerano sagt, «die Nachricht von seinem Tod hat mich richtig erschüttert. Ich kann es gar nicht glauben».
Exquisit sei er gewesen, eine wunderbare Person, sagt Wanda Millak (67). Die Polin hat Berlusconi vor zehn Jahren persönlich kennengelernt. «Er wollte meine Villa kaufen. Ich erinnere mich sehr gut an das Treffen. Er sagte damals, er mache sich Sorgen um sein Italien. Dass er von seinem Italien sprach, mochte ich sehr.»