19 Kinder sind tot. Gestorben, weil Salvador R.* (†18) am Dienstag aus unbekannten Gründen beschloss, an einer Primarschule in Uvalde (USA) so viele Menschen wie möglich zu töten. Daneben starben auch mindestens zwei Erwachsene. Auch der Täter verlor sein Leben, er wurde von einem herbeigeeilten Grenzschutzbeamten erschossen. Die Tat hinterlässt ein geschocktes Land und unzählige Menschen, deren Leben nie mehr so sein wird wie vor dem 24. Mai 2022.
Wie dasjenige von Mitch R.*. Um Mitternacht veröffentlichte er ein Bild seines Neffen Uziyah G.* (†8) auf Facebook und schrieb: «Das ist mein Neffe. Der Schütze war in seinem Klassenzimmer. Der Lehrer ist tot, zusammen mit vielen anderen. Er wird vermisst. Bitte lesen. Bitte teilen.» Drei Stunden später aktualisierte er den Beitrag: «Mein Neffe wurde heute Opfer einer Massenschiesserei an einer Schule. Ein Achtjähriger wurde von einem Verrückten getötet. Uzi, ich liebe dich. RIP. Ich gehe nach Hause.»
«Flieg hoch, schöner Engel»
Der Beitrag über Uzi war nur einer von vielen, der von Eltern und Familienmitgliedern von Schülern der Robb Elementary School nach der Schiesserei in den sozialen Medien geteilt wurde. Alle schilderten dieselbe, herzzerreissende Geschichte: Ein Kind wird vermisst, und niemand – weder die Polizei noch die Schulleitung oder das medizinische Personal – hat ihnen irgendwelche brauchbaren Hinweise gegeben.
In den vergangenen Stunden kam dann die traurige Gewissheit. Blick berichtet über die Opfer, die von ihren Familienangehörigen identifiziert wurden. Aus Persönlichkeitsgründen werden die Namen geändert und die Bilder unkenntlich gemacht.
Etwa gleichzeitig wie Mitch R. teilte Laura M.* ein Foto ihres Cousins Xavier L.* (†10) auf Facebook. Der Junge posiert vor einem Burger King im gelben Fussballtrikot. «Bitte helft uns», schrieb sie. Weniger als eine Stunde später aktualisierte sie ihren Beitrag und gab bekannt, dass der Viertklässler gestorben ist. «Er wurde gefunden, flieg hoch, schöner Engel. Bis wir uns wiedersehen.» Nach Angaben des Senders KSAT war Xaviers Mutter nur wenige Stunden vor der Schiesserei mit ihrem Sohn bei einer Preisverleihung in der Schule. Es sollte das letzte Mal sein, dass sie ihn lebend sah.
«Umarmt eure Familien»
Ebenfalls tot ist Amerie Jo G.* (†10). Ihr Vater veröffentlichte auf Facebook zuerst einen Beitrag und bat die Community darum, seine Tochter zu finden. Er habe seit sieben Stunden nichts von ihr gehört.
Kurz darauf bestätigte er beim TV-Sender ABC, dass seine Tochter tot ist. «Danke an alle für die Gebete und die Hilfe bei der Suche nach meinem Baby. Sie ist gefunden worden. Meine kleine Liebe fliegt jetzt hoch mit den Engeln über uns. Bitte nehmt nicht eine Sekunde als selbstverständlich hin. Umarmt eure Familien. Sagt ihnen, dass ihr sie liebt. Ich liebe dich, Amerie Jo.»
Zwei Lehrerinnen starben
Zu den Toten gehört auch Eva M.* (†44). Die Mutter und Ehefrau unterrichtete an der Primarschule. 17 Jahre habe sie dort gearbeitet, sagte ihre Tante gegenüber der Presse: «Ich bin wütend, dass diese Schiessereien weitergehen. Diese Kinder sind unschuldig. Gewehre sollten nicht für jeden leicht zugänglich sein. Dies ist meine Heimatstadt, eine kleine Gemeinde mit weniger als 20'000 Einwohnern. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass dies geliebten Menschen passieren würde. Alles, was wir tun können, ist für unser Land, unseren Staat, unsere Schulen und vor allem für die Familien aller zu beten.» Auf Facebook äusserte sie sich ebenfalls:
Laut der «New York Post» unterrichtete Eva M. gemeinsam mit Irma G.* die vierte Klasse. Auch Irma starb. Ihr Neffe schreibt auf Twitter: «Meine Tia hat es nicht geschafft. Sie hat sich geopfert, um die Kinder in ihrem Klassenzimmer zu beschützen. Ich bitte euch, meine Familie und ihre ganze Familie in eure Gebete einzuschliessen. Sie starb als Heldin. Sie wurde von vielen geliebt und wird wirklich vermisst werden.»
«Jose war der einzige, der es nicht geschafft hat»
Lydia Salazar T.* war bei ihrer Arbeit in San Antonio, als sie vom Attentat in der Robb-Grundschule hörte. Mehrere ihrer Nichten und Neffen besuchen diese Schule. Sie erfuhr, dass der Sohn ihrer Schwester zu den Schülern gehörte, die aus der Schule fliehen konnten. Sie rannten über die Strasse zu einem Nachbarhaus, erzählt sie dem Magazin «Rolling Stone». Ein anderer Neffe sei der letzte Junge gewesen, dem Eva M., die Lehrerin der vierten Klasse, helfen konnte, bevor sie erschossen wurde. T. erzählt weiter, dass es ihren Nichten und Neffen gelang, einen nach dem anderen aufzuspüren – bis auf einen. Der kleine Jose F. Jr. (†10), Sohn einer Nichte von Lydia, war tot.
«Jose war der einzige, der es nicht geschafft hat», sagte T. dem Magazin. «Es ist furchtbar. Wir können nicht glauben, dass das passiert ist. Wir können es nicht. Es hätte nicht passieren dürfen. Jose war einfach nur himmlisch. Er war immer gut gelaunt und hat jeden gegrüsst. Es ist eine Tragödie. Das ist etwas, was die ganze Welt nie vergessen wird.» Sein Tod wurde von Familienangehörigen auf Facebook bestätigt:
Über Twitter musste der Cousin von Rojelio T.* (†10) die traurigste aller Nachrichten überbringen: «Es bricht mir das Herz, zu sagen, dass mein Rojelio jetzt bei den Engeln ist. Ich werde dich immer vermissen und dich lieben, mein Engel.»
Viele leben noch in Ungewissheit
Stundenlang wussten auch die Familienmitglieder von Annabell Guadalue R.* (†10) nichts über das Befinden ihrer Tochter und Schwester. Kurz vor 8 Uhr Schweizer Zeit bestätigte ihre Schwester dann ihren Tod auf Facebook. Zuvor habe die Familie alle Spitäler und auch die Schule abgesucht. Dem Sender KHOU sagten Angehörige, Annabell habe die dritte Klasse besucht. Gemeinsam mit ihrer Cousine. Auch diese sei beim Massaker ums Leben gekommen.
Als die Nacht über Uvalde hereinbrach (Zeitdifferenz zur Schweiz minus 7 Stunden), waren einige Eltern immer noch nicht in der Lage gewesen, ihre Kinder ausfindig zu machen. Viele wandten sich an die Medien und veröffentlichten Bilder ihrer Kinder, damit die Suche schneller geht.
Berichten zufolge teilten die Behörden den Familienmitgliedern mit, dass zur Identifizierung der Opfer eine DNA-Probe benötigt würde, und Reporter berichteten von Dutzenden besorgter Eltern, die ins örtliche Bürgerzentrum strömten, um einen Abstrich zu machen.
* Namen der Redaktion bekannt