Experten schätzen die Schweizer Friedensbemühungen ein
Wird der Bürgenstock-Gipfel zur grossen Pleite?

Die Schweiz will im Ukraine-Krieg Friedensgespräche in Gang bringen. Wie gross sind die Chancen auf einen Erfolg, wenn Russland nicht am Tisch sitzt? Ein rascher Erfolg scheint unmöglich zu sein, allerdings könnte das Ziel auf Umwegen erreicht werden.
Publiziert: 11.04.2024 um 19:59 Uhr
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Aktualisiert: 11.04.2024 um 20:46 Uhr
Herzlichkeiten im Januar am Flughafen Zürich: Aussenminister Ignazio Cassis hat einen guten Draht zum ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski.
Foto: keystone-sda.ch
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Guido FelderAusland-Redaktor

Mit der für den 15. und 16. Juni geplanten Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock NW sorgt die kleine Schweiz weltweit für Schlagzeilen. Es soll ein grosser Wurf werden: Einflussreiche Staaten wie etwa China sollen Vertreter in die Innerschweiz schicken, selbst US-Präsident Joe Biden (81) könnte anreisen. 

Der grosse Abwesende aber wird Russland sein. Grund: Der Kreml geht davon aus, dass nur der Friedensplan der Ukrainer als Basis genommen werde, was Aussenminister Ignazio Cassis (62) am Mittwoch allerdings verneinte. Auch betrachtet Moskau die Schweiz wegen ihrer Sanktionen und Haltung im Krieg als kein neutrales Land mehr. 

Kann der Schweizer Gipfel überhaupt erfolgreich sein – oder ist er von vornherein zum Scheitern verurteilt?

Sicher ist: Im Juni darf man keine Lösung für den Frieden erwarten. So sagt Laurent Goetschel (58), Direktor der Schweizerischen Friedensstiftung Swisspeace: «Es handelt sich nicht um eine eigentliche Friedenskonferenz, sondern um eine Konferenz zu einem potenziellen Friedensprozess in der Ukraine.» Ihr Erfolg hänge davon ab, wer tatsächlich teilnehme, worüber gesprochen werde, was ignoriert werde, und ob sich die Teilnehmenden am Schluss auf etwas einigen würden. Goetschel: «Zurzeit ist eine Prognose sehr schwierig.»

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Das Bürgenstock-Resort wird Schauplatz der Friedenskonferenz im Juni.
Foto: Bürgenstock Hotels & Resort

Damit die Schweiz als Vermittlerin erfolgreich sein könne, rät Goetschel: «Als Gastgeber und Organisator muss man möglichst unparteiisch wirken und sich in der Kommunikation zurückhalten.»

Auf Umwegen zum Ziel?

Der Bürgenstock könnte allerdings der Anfang eines Prozesses sein, der über Umwege zu einer Beruhigung der Situation in der Ukraine führt. Ulrich Schmid (58), Russland-Experte an der Uni St. Gallen, meint: «Die Konferenz ist eine pragmatische Initiative, weil man insbesondere über China möglicherweise den Druck auf Putin erhöhen kann.» 

Dass Moskau selber jemals in der Schweiz an einem solchen Gipfel teilnehmen wird, hält Schmid für ausgeschlossen. Die Türkei oder die Vereinigten Arabischen Emirate seien eher Orte, die beide Konfliktparteien als Verhandlungsorte akzeptieren würden.

Doch selbst mit dem Kreml am Tisch stelle sich die Frage, ob man Russland vertrauen könne. «Alle Friedenslösungen mit Putin sind prekär, weil er ja noch kurz vor dem Überfall auf die Ukraine westlichen Staatschefs ins Gesicht gelogen hatte, er plane keinen Angriff», sagt Schmid.

Die Situation sei verzwickt. Schmid: «Russland hat bisher immer nur Verhandlungsbereitschaft simuliert, um in der Weltöffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, die Ukraine stemme sich gegen eine Friedenslösung.»

Kein zweites Jalta

Deshalb stelle sich die Frage, welcher moralische Schaden bereits entstehe, wenn man Russland einen Platz am Verhandlungstisch anbiete. Schmid: «Russland will ja nicht mit der Ukraine verhandeln, sondern mit den USA. Das würde bedeuten, dass man ein zweites Jalta schaffen würde – mit allen katastrophalen Folgen für jene Länder, über deren Schicksal man entscheidet.» 

Bei der Konferenz von Jalta auf der Krim im Februar 1945 trafen sich die alliierten Staatschefs Franklin D. Roosevelt (USA), Winston Churchill (Grossbritannien) und Josef Stalin (UdSSR). Sie entschieden nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs über die Köpfe der Deutschen hinweg über die Aufteilung Deutschlands, was zu einem über Jahrzehnte gespaltenen Land führte. 

Der Weg zum Frieden

Die Lösung für einen Frieden gibt es nicht. Das sagte Dan Smith (72), Direktor des Friedensforschungsinstituts Sipri in Stockholm, im Januar in einem Interview mit Blick. Er betrachtet die Schweiz – nebst Staaten im Nahen Osten oder Südasien – zwar nach wie vor als geeigneten Ort für eine solche Konferenz, ist aber pessimistisch. Am Donnerstag sagte er gegenüber Blick: «Zum jetzigen Zeitpunkt scheint es unwahrscheinlich, dass die Konferenz Russland entscheidend unter Druck setzen wird.»

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