«Heute ist die Situation unter Kontrolle»
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Erdogan im Erdbebengebiet:«Heute ist die Situation unter Kontrolle»

Experte erklärt Auswirkungen
Steht Erdogan wegen Todes-Beben vor dem Aus?

Erstmals seit den verheerenden Erdbeben hat der türkische Präsident Erdogan Fehler eingestanden. Was das bedeutet, erklärt ein Experte.
Publiziert: 09.02.2023 um 16:43 Uhr
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Recep Tayyip Erdogan im Erdbeben-Gebiet.
Foto: IMAGO/APAimages
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Sven ZieglerRedaktor News

Nach den verheerenden Erdbeben vom Montag herrscht im Katastrophengebiet der Türkei und Syrien noch immer vielerorts Chaos. Am Mittwoch reiste erstmals Recep Tayyip Erdogan (68) ins Krisengebiet. Der türkische Präsident hat bereits kurz nach der Tragödie eine einwöchige Staatstrauer ausgerufen.

Für Erdogan geht es in den kommenden Wochen um viel. Am 14. Mai sollen die Grosse Nationalversammlung der Türkei und ein neuer Präsident gewählt werden. Erdogan selbst kandidiert erneut. Er ist sich seiner Wahl so sicher, dass er den Termin sogar um einen Monat vorverlegt hatte.

Die schweren Erdbeben könnten nun aber auch Auswirkungen auf die Politik in der Türkei haben. Erdogan sitzt in der Türkei seit 20 Jahren an den Schalthebeln der politischen Macht. Mitverantwortlich dafür waren damals auch die schweren Erdbeben von Izmit im Jahr 1999 mit 18'700 Toten. «Erdogans Regierungspartei AKP profitierte bei der Machtübernahme 2002 stark vom Versagen der damaligen Regierungsparteien. Diese gaben nach den damaligen Erdbeben ein miserables Bild ab. Die AKP konnte das nutzen», sagt Günter Seufert, Türkei-Experte von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin, zu Blick.

Opposition bleibt noch ruhig

Nun aber zeigt sich: Der türkische Staat ist noch immer ähnlich unvorbereitet. Erdogan selbst gestand am Mittwoch bei seiner Reise ins Kriegsgebiet erstmals selbst Fehler ein: «Wir hatten am ersten Tag massive Probleme. Am zweiten Tag hatten wir die Lage dann unter Kontrolle.»

Die unvorbereitete Regierung mache die Bevölkerung wütend, sagt auch Experte Seufert. Der Machtapparat habe Warnungen überhört, die Infrastruktur sei noch immer nicht erdbebensicher. «Für Erdogan besteht also die Gefahr, dass er dank eines Erdbebens an die Macht kam und mit einem Erdbeben wieder gehen muss.»

Bislang ist es auf Seiten der Opposition weitgehend ruhig geblieben. Die Regierung und ihre Gegner betonten in den vergangenen Tagen, man müsse jetzt solidarisch zusammenhalten und die Rettungskräfte unterstützen. Erdogan telefonierte sogar mit der bekannten Oppositionspolitikerin Meral Aksener (66). Das ist insofern bemerkenswert, weil sich die beiden Lager eigentlich verfeindet gegenüberstehen.

Verschiebung der Wahlen?

Erdogan wisse, dass er in der Zwickmühle stecke. Deshalb setze er nun auf Einschränkung, sagt Seufert. «Er unterbindet zeitweise den Zugriff auf soziale Netzwerke, zudem wurden bereits wieder erste Verfahren gegen kritische Journalisten eingeleitet – unter anderem wegen fadenscheiniger Argumente wie ‹Volksverhetzung›: Die AKP versucht, die Berichterstattung einzuschränken und zu kontrollieren, um kritische Stimmen zu vermindern.»

Dass Erdogan die Wahlen verschiebt, glaubt Seufert aber nicht. «Die Regierung hat in den vergangenen Monaten ein sehr kurzfristig ausgelegtes Wirtschaftsprogramm auf die Beine gestellt, um die Wähler auf ihre Seite zu ziehen – beispielsweise höhere Mindestlöhne oder billige Kredite. Dieses Programm verschärft die extreme Wirtschaftskrise aber zusätzlich und kann langfristig nicht aufrechterhalten werden. Darum hat Erdogan kein Interesse an einer Verschiebung der Wahlen.»

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