Der russische Präsident Wladimir Putin (70) sprach am Donnerstag öffentlich von einem «Terroranschlag» der Ukraine in der russischen Oblast Brjansk. Russland wolle die eigenen Leute einschüchtern, um den Angriffskrieg zu rechtfertigen, hält der Berater von Wolodimir Selenski (45), Mychajlo Podoljak (51), entgegen.
Der Gründer des «Russischen Freiwilligenkorps» und bekannter Neonazi, Denis Nikitin, erklärt den Angriff seinerseits so: «Das Russische Freiwilligenkorps kam in die Region Brjansk, um unseren Landsleuten zu zeigen, dass es Hoffnung gibt und dass das freie russische Volk das Regime mit Waffen in der Hand bekämpfen kann.» Er und seine Leute «kämpfen nicht mit Zivilisten und töten keine Wehrlosen.»
Russische Neonazis, die für die Ukraine kämpfen? Für Michael Colborne, Investigativjournalist bei der Plattform Bellingcat, durchaus problematisch. «Das sind keine Leute, welche die Ukraine auf ihrer Seite braucht – oder wollen sollte», erklärt er im Gespräch mit Blick. «Man kann diese Menschen und ihre Absichten nicht schönreden.»
Mehr zum Angriff auf Brjansk
Wurde Angriff von Selenski abgesegnet? – «Wahrscheinlich»
Und genau das ist das Problem, so Colborne. «Ich mache mir Sorgen um die internationalen Reaktionen auf diesen Vorfall.» Zwar fürchtet er keine direkte Abstrafung von staatlichen Akteuren, doch: «Solche Aktionen könnten dazu führen, dass die Unterstützung für die Ukraine in der westlichen Bevölkerung schwindet. Die Leute mögen Putin nicht, aber sie mögen auch keine Nazis.»
Während in westlichen Nationen – insbesondere Deutschland – der Neo-Nationalsozialismus «der grösste Feind» sei, ist es in der Ukraine Russland. «Ich glaube, dass einige ukrainische Personen nicht verstehen, wie problematisch diese Aktion war», sagt Colborne, «und wie schlimm das für die internationalen Unterstützer der Ukraine aussieht.»
Anführer Nikitin selbst beteuert im Nachgang des Angriffs, dass dieser mit dem Segen des ukrainischen Militärs stattgefunden habe. Auch Colborne ist sich sicher: «Dies war etwas, was der militärische Geheimdienst der Ukraine sehr wahrscheinlich abgesegnet hat!»
Wie das der Ukraine hilft? «Gar nicht.» Denn: «Der Freiwilligenkorps ist viel zu klein und unausgebildet, um einen militärischen Impact zu haben», schätzt Colborne. Für die Gruppierung, deren Follower auf Telegram sich in den letzten 24 Stunden mehr als verdoppelt haben, sei das alles ein Werbe-Stunt. Der Angriff auf Brjansk dient als perfektes Beispiel dafür. «Es ging nicht um die Ukraine. Es ging auch nicht um Russland. Es ging um das Image des Korps.»
Das Fazit des Journalisten: eine gefährliche Aktion, ohne militärische Auswirkung – die die Ukraine in eine brenzlige Situation bringen könnte. «Darum bin ich auch so direkt. Ich möchte den Menschen in der Ukraine klarmachen: Ihr wollt diese Leute nicht in eurem Team. Sie schaden euch.»