Vielen Franzosen stinkt die von Präsident Emmanuel Macron (45) geplante Rentenreform – und die seit einer Woche wachsenden Müllberge sind ein eindrucksvoller Ausdruck dieser ablehnenden Haltung. Etwa 70 Prozent der Franzosen sind gegen die Anhebung des Rentenalters von 62 auf 64 Jahre, die besonders Menschen in anstrengenden Berufen zu schaffen machen wird.
Zu ihnen zählen die Beschäftigten der Müllabfuhr, weswegen viele von ihnen seit gut einer Woche streiken. Bis Montag hatten sich in der Strassen von Paris etwa 5600 Tonnen Müll angesammelt.
«Es ist ekelhaft, überall sind Ratten», sagt Aphaia Samios, die in einem Strassencafé in der belebten Einkaufsstrasse Montorgueil sitzt, zur Nachrichtenagentur AFP. Ihre Aussicht ist durch mehrere Müllberge behindert. «Manche Leute kommen kaum noch in ihre Haustür hinein», sagt sie.
Im Slalom um die Müllberge
Auch Touristen zeigen sich entsetzt angesichts der überquellenden Mülleimer und der Plastikmüllsäcke, die sich immer weiter auftürmen und teilweise aufplatzen. Regenschauer am Wochenende haben den Unrat durchnässt und die Geruchsbelästigung verstärkt.
«Ich wollte eine Reise mit meinem Freund machen, aber der Müll verdirbt den ganzen Charme der Stadt», meint die deutsche Paris-Besucherin Claudia Harmand in der Nähe der Opéra Garnier. «Es stinkt, und man muss im Slalom um die Müllberge herumgehen.»
Der US-Tourist Mark hat nicht viel Verständnis für die Streiks. «Es ist unhygienisch und nicht gut für den Tourismus», sagt er. «Bei uns ist das Rentenalter schon längst viel höher. Wenn man das Rentenalter anheben muss, weil sonst das Geld fehlt, dann helfen die Streiks auch nichts», meint er.
«Mir ist jetzt schon klar, dass ich im Alter arm sein werde»
In Paris teilen sich private und städtische Betriebe das Einsammeln des Mülls. Derzeit sind vor allem die Viertel betroffen, in denen die städtische Müllabfuhr im Einsatz ist. Aber die Streiks behindern nicht nur die Abfuhr des Mülls, sondern auch dessen Entsorgung, da drei Müllverbrennungsanlagen rund um Paris ebenfalls blockiert werden.
«Wir sind jeden Tag draussen und arbeiten, egal ob es regnet, schneit oder stürmt», beschreibt Nabil Latreche, ein 44-jähriger Müllmann, seine Arbeit. «Wenn man hinten auf dem Müllwagen steht, dann atmet man viele schädliche Gase ein. Die Arbeit ist sehr anstrengend», erklärt er.
«Mir ist jetzt schon klar, dass ich im Alter arm sein werde», sagt Murielle Gaeremynck, eine 56-Jährige, die seit zwei Jahrzehnten bei der Müllabfuhr arbeitet. Sie berichtet von Stürzen vom Lastwagen, von chronischen Entzündungen und Rückenproblemen wegen der mangelnden Federung der kleineren Müllwagen.
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Reform nimmt sehr wohl Rücksicht auf die Menschen
Die sozialistische Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo (63) sprach den Beschäftigten der Müllabfuhr ihre Solidarität aus. Die Stadt Paris verweist darauf, dass andere Städte ebenfalls vom Streik der Müllarbeiter betroffen seien.
Die Regierung betont, dass die Reform Rücksicht nehme auf Menschen, die besonders früh angefangen haben zu arbeiten, oder die beschwerlichen Berufe haben. Derzeit können Beschäftigte der Müllabfuhr mit 57 Jahren in Rente gehen, nach der Reform müssten sie bis 59 Jahre arbeiten. Das halten viele Beschäftigte für zu lang.
Sie wollen vorerst weiter streiken, auch wenn die Chancen gering sind, die Reform noch zu stoppen. Am Mittwoch soll sich der Vermittlungsausschuss mit dem Gesetzentwurf befassen. Die Regierung hofft auf eine endgültige Abstimmung am Donnerstag. (AFP)